Text und Kontext
Von Gegenreformation bis Konfessionalisierung, einige Begriffsdefinitionen
Kirchenrechtlich betrachtet ist eine Visitation ein "institutionalisierter, rechtlich geregelter Besuch mit der Aufsicht betrauter kirchlicher Amtsinhaber oder ihrer Vertreter in Einzelgemeinden, Kirchenbezirken oder kirchlichen Einrichtungen ihres Zuständigkeitsbereichs"9. Dieser "Besuch" konnte in der Frühen Neuzeit auch von weltlichen Amtsträgern initiiert und unter Mitwirkung bischöflicher Beauftragter durchgeführt werden, wie es etwa bei den landesfürstlichen Visitationen in den habsburgischen Erbländern schon in den 1520er Jahren des 16. Jahrhunderts der Fall war10. Diese staatlichen Visitationen dienen als "Überwachungs- und Kontrollmechanismen des Staates über bürokratische Apparate"11 und zielen auf eine bessere zentrale Steuerung der öffentlichen Verwaltung ab. Die Visitation diente aber insbesondere auch als "ein Instrument der kirchlichen Machtausübung"12, welches dem Bischof eine zentrale Position in seiner Diözese zuschrieb13. Mit dem Konzil von Trient zur Mitte des 16. Jahrhunderts wurde der Bischof in seiner organisatorischen und spirituellen Leitungsfunktion innerhalb der Diözese nachhaltig gestärkt. Seitdem zählte das regelmäßig angewandte Kontrollverfahren der Visitation zu den bischöflichen Rechten und Pflichten, durch das die priesterlichen Aufgabenbereiche der Liturgie und Seelsorge reguliert, die katholische Glaubenspraxis gestärkt und die Kirchenhierarchie gefestigt werden sollten14.
"Die Visitation dient dem Zweck der unmittelbaren Einsichtnahme in das kirchliche Leben vor Ort"15, durch sie versucht der Ortsbischof insbesondere zwei Bereiche zu prüfen: die Seelsorge und die kirchlichen Rechts- und Besitzverhältnisse. Posttridentinische, bischöflich angeordnete Visitationen beschäftigten sich mit der Amtsausübung, aber auch
In einem größeren historischen Kontext betrachtet ist die Visitation – ebenso wie etwa die Inquisition, die Synode, die Matrikulierung und die Förderung neuer Ordensgemeinschaften – eines von mehreren Instrumenten für die Abgrenzung der unterschiedlichen Konfessionen in der Frühen Neuzeit17. Diese Herausbildung der katholischen, protestantisch-evangelischen und reformierten Konfessionen ist als langfristiger Prozess zu verstehen, der mit der im Jahr 1530 verfassten Confessio Augustana keineswegs abgeschlossen war, sondern ganz im Gegenteil erst einsetzte. Selbst für das Ende des 16. Jahrhunderts ist in der religiösen Praxis vielfach keine klare Unterscheidung zwischen Katholizismus und Protestantismus zu treffen, was sich ganz besonders in den vorliegenden Akten zur Visitation der Wiener Landpfarren des Jahres 1582 widerspiegelt.
Vor allem seit dem 19. Jahrhundert entwarfen die Geschichtswissenschaften verschiedene Erklärungsansätze für diese religiösen und soziopolitischen Entwicklungen. Das 16. Jahrhundert wurde vor allem vor dem Hintergrund des Kulturprotestantismus im 19. Jahrhundert als Reformationszeitalter apostrophiert18. Das Begriffspaar Reformation und Gegenreformation formte bis nach dem Zweiten Weltkrieg das gültige Geschichtsbild für diese Zeit19. Von der protestantischen Geschichtsschreibung wurde die reformatio als "Rückkehr zu einem normativ maßgebenden Urzustand, andererseits [als] Verbesserung, Vervollkommnung der Gegenwart durch Annäherung an ein Ideal"20 verstanden. Auch der Begriff Gegenreformation entstammt der protestantischen Geschichtsschreibung und wurde, um die positiven Wirkungen der katholischen Erneuerung im Inneren hervorzuheben, durch die katholische Forschung vielfach durch den Terminus (inner)katholische Reform ersetzt21. Durch den gesellschaftsgeschichtlichen und religionssoziologischen Wandel in den 1960er und 1970er Jahren erfolgte jedoch eine Kehrtwende in der Interpretation dieser Zeit durch die deutsche Geschichtsschreibung22. Durch den von Gerhard Oestreich in seinem Aufsatz "Strukturprobleme des europäischen Absolutismus" aus dem Jahr 1969 geprägten Begriff der Sozialdisziplinierung werden die konfessionellen Entwicklungen in der Frühen Neuzeit aus einer gesamt- und universalgeschichtlichen Perspektive beleuchtet23. Demnach wurden im Zuge der Herausbildung der Konfessionen
Kirche und Staat erscheinen auch als gemeinsame Akteure im Modell der Konfessionsbildung, das Ernst Walter Zeeden ebenfalls in den 1960er Jahren entwarf25. Zeeden zufolge war "die Konfession … ein Politikum geworden, wie umgekehrt die Politik eine konfessionelle Angelegenheit"26. Ebenso wie weltliche Herrschaftsgebilde suchten die verschiedenen Konfessionen, insbesondere auch die katholische Kirche, die konfessionellen Grenzziehungen als Ordnungs- und Regierungsinstrumente zu nutzen und ihre Rituale und Doktrinen zu etablieren und zu festigen27. Die enge Kooperation zwischen Kirchen und Staat ergab sich aus der Bindung der Konfession an die jeweilige Territorialobrigkeit, die "unantastbare Religionshoheit für ihren speziellen Herrschaftsbezirk"28 reklamierte. Die landesfürstlichen Kirchenordnungen und Religionsmandate sind die bürokratischen Mittel des Staates zur Durchsetzung dieser Konfessionsbildung29. Zeeden sieht den Ursprung der Herausbildung der unterschiedlichen Konfessionen im Niedergang der christlichen Kirche des Westens im Lauf des Spätmittelalters und sieht das 16. und 17. Jahrhundert als die Kernzeit der Konfessionsbildung an30, wenngleich auch große regionale Unterschiede zu beobachten sind31. In der Zeit zwischen 1550 und 1600 habe es keine gefestigten Konfessionen gegeben, zu Beginn des 17. Jahrhunderts seien weite Regionen nördlich der Alpen wieder fast gänzlich katholisch geworden, der gesamte Konfessionsbildungsprozess sei jedoch erst im Lauf des Jahrhunderts und teils durch gewaltsame Auseinandersetzungen zu einem Abschluss gekommen32. Die Mittel, welche die katholische Kirche gegen den zunehmenden Verlust an Einfluss einsetzte, lagen Zeeden zufolge in erster Linie in einer Forcierung von Sitte, Frömmigkeit und Disziplin33. Vor allem nach dem Konzil von Trient sollten die Reform des Klerus, die Stärkung der kirchlichen Hierarchien, die Kontrollmaßnahmen mittels Synoden und Visitationen sowie auch die Festigung der
Die Thesen der Sozialdisziplinierung und Konfessionsbildung wurden von Heinz Schilling und Wolfgang Reinhard aufgegriffen und in ihrem Modell der Konfessionalisierung zusammengeführt35. Demnach handelt es sich um einen gesamtgesellschaftlichen Vorgang, der nicht mehr ausschließlich die Reformation ins Zentrum des Interesses rückt, sondern sämtliche Konfessionen und Fragen der Lebensführung36. Das frühneuzeitliche Europa, so die Konfessionalisierungsthese, durchlief nicht nur kirchliche und religiöse, sondern auch politische, soziale und kulturelle Wandlungsprozesse37. Dabei werden insbesondere auch Wechselwirkungen mit der Etablierung frühmoderner Staatlichkeit und "der Formierung einer neuzeitlichen disziplinierten Untertanengesellschaft"38 beobachtet. Die sich allmählich herausbildenden unterschiedlichen Konfessionen grenzten sich durch sukzessive Implementierung des Glaubens- und Lehrkanons gegenüber anderen Gruppen ab39. Die katholische Konfessionalisierung im Speziellen richtete sich auf das Zentrum Rom und suchte die kirchlichen Hierarchien im Sinne des Tridentinums zu stärken40. Vergleichbar mit Zeeden sieht auch die Konfessionalisierungsthese Schillings und Reinhards die Anfänge der Entwicklungen in den 1520er Jahren und eine Verdichtung in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, insbesondere in den 1570er und 1580er Jahren41. Das Ende des 16. und die Wende zum 17. Jahrhundert wird von Schilling auch als "Vorsattelzeit der Moderne"42 bezeichnet, eine Periode, in welcher der allmähliche religiöse, politische und gesellschaftliche Wandel die Entwicklung des neuzeitlichen Europa
Vor dem Hintergrund der breiten Konfessionalisierungsmaßnahmen durch Bildungs- und Disziplinierungsprogramme "erscheint der Weg in die barocke Frömmigkeit des 17. Jahrhunderts als die konsequente Fortsetzung der Konsolidierung der Konfessionen im späten 16. Jahrhundert"47. Dieser Barockkatholizismus prägte insbesondere in den österreichischen Ländern die Kirchenpolitik des 17. und 18. Jahrhunderts, welche durch verstärkten Kirchenbau und einen intensivierten Frömmigkeitskult gekennzeichnet war, etwa in Form von Marien- und Eucharistieverehrung, Wallfahrten und Prozessionen48. Diese Pietas Austriaca, die katholische Orthodoxie in Österreich, ging eine enge Symbiose mit den weltlichen Autoritäten ein, sodass auf lange Sicht die Herrschaft der Habsburger auf Basis der katholischen Konfession gesichert wurde49. Die Visitation der Wiener Landpfarren im Jahr 1582 steht somit am Beginn der Maßnahmen, welche der herrschaftlich gestützte Katholizismus in den kommenden Jahrzehnten umzusetzen suchte.
Das Konzil von Trient (1545–1563)
Der Grundstein für die innerkatholischen Reformbestrebungen wurde durch das Konzil von Trient gelegt, das mit Unterbrechungen von 1545 bis 1563, also in einem Zeitraum von beinahe neunzehn Jahren, tagte und auf das Wiedererstarken und die Stabilisierung der katholischen Kirche in der Umbruchszeit der Reformation hinarbeitete. Die Einheitlichkeit der katholischen Konfession und der katholischen Kirche als Institution sollte in mehreren Sitzungsperioden des Konzils ausgearbeitet und beschlossen werden.
Den Akten der 22. Session des Konzils lässt sich ferner entnehmen, dass auch das moralische Idealbild eines katholischen Geistlichen angestrebt wurde, das sich in der regelmäßigen liturgischen und seelsorgerischen Praxis manifestieren sollte. Ein Pfarrer sollte den Kernaufgaben eines katholischen Klerikers nachgehen, Gottesdienste und Sakramentenspenden durchführen, die Predigt im Sinne der katholischen Lehre abhalten und im Rahmen der Katechese für katholische Bildung bei seinem Pfarrvolk sorgen. Selbst sollte er einem lauteren und moralisch mit den katholischen Werten übereinstimmenden Leben nachgehen53. Die Verhaltensvorschriften sahen einen Lebenswandel fernab von Trunk-, Spiel- und Streitsucht vor, die Kleidungsvorschriften das Tragen von Habit und Tonsur als eindeutig erkennbares Berufszeichen katholischer Kleriker. Insbesondere durch die klare Definition der äußeren Erscheinung eines katholischen Geistlichen sollte eine deutliche Abgrenzung von Laien und Protestanten erreicht werden54.
Ein Anliegen des Tridentinums war es auch, Kontrolle über den religiösen Buchmarkt auszuüben und somit nachhaltig auf die Ausrichtung theologischer Lehren Einfluss zu nehmen. Zu diesem Zweck wurden beim Abschluss der dritten Tagungsperiode am 4. Dezember 1563 eine revidierte Version des Index der von Seiten der katholischen Kirche
Geregelt wurde ferner der Heiligen- und Reliquienkult, deren Koordination und Kontrolle ebenfalls dem Diözesanbischof übertragen wurden. Durch die gezielte Gestaltung und Steuerung dieser beiden Ausprägungen katholischer Konfession suchte die Kirche, ihre Lehren auch auf der Ebene der Pfarren und im öffentlichen Raum zu verbreiten und diese so nachhaltig im Alltagsleben und im Jahresablauf einzuschreiben. Durch die Anbindung an bestehende volkstümliche Ausdrucksformen und Riten, den Aufbau eines Kanons offiziell anerkannter Heiliger und Reliquien und die unmittelbare Einbindung der Gläubigen in die dargebotenen Riten – etwa die Benediktion von Wasser, Salz und Öl und die Abhaltung von Festen, Wallfahrten und Prozessionen – sollten die durch das Konzil standardisierten Ausprägungen des katholischen Lehrgebäudes systematisch verankert werden56.
Das Konzil von Trient widmete sich auch ausführlich der bischöflichen Visitationspflicht. Im Einklang mit der weltlichen Politik und den jeweiligen regionalen und überregionalen Herrschern sollte der Bischof die Einhaltung des durch das Tridentinum festgelegten Regelwerks in den Klöstern und Pfarren seiner Diözese sicherstellen. Dieser im Dekret zur 22. Session festgelegte Kompetenzbereich des Diözesanbischofs wurde im Reformdekret der 24. Sitzung vom 11. November 1563 weiter konkretisiert und die regelmäßige Abhaltung von Visitationen jedes zweite Jahr zumindest theoretisch festgelegt57.
Da die in den Konzilsdekreten festgehaltenen Regelungen in erster Linie auf Bischöfe und Kleriker abzielten, achtete man bei der Umsetzung darauf, diese möglichst auch für einfache, oftmals weniger gebildete Dorfpfarrer zugänglich zu machen. Daher hielten Zusammenfassungen und Aufbereitungen der Konzilsakten in Buchform in beinahe jede Pfarre Einzug58.
Vor dem Hintergrund des Konzils von Trient liest sich das vorliegende Visitationsprotokoll aus dem Jahr 1582 als Versuch, möglichst viele der getroffenen Beschlüsse in die Tat umzusetzen. So wird etwa der Bücherbestand in den Pfarren stets einer Prüfung unterzogen und einschlägig protestantische Literatur vermerkt. Ebenfalls auf ihre Katholizität hin überprüft werden der Schul- und Katechismusunterricht sowie die Amtsausübung und der Lebenswandel der Pfarrer. Die Visitationsakten spiegeln folglich die Reformmentalität der "nachtridentinische[n], nun konfessionalistisch ausgerichtete[n] katholische[n] Kirche"59, die es sich zur Aufgabe machte, "neue Formen disziplinärer und kultischer Gemeinsamkeit"60 zu definieren und diese auch in der religiösen Praxis nachhaltig umzusetzen. Bezeichnend ist, dass beinahe 20 Jahre nach Verabschiedung des letzten tridentinischen Dekretes im Falle der Wiener Landpfarren noch kaum Auswirkungen oder Umsetzungen zu bemerken sind. Der Prozess der katholischen Konfessionalisierung
Bischöfliche und landesfürstliche Visitationen kirchlicher Einrichtungen vor 1582
Die Praxis der Visitation kirchlicher Einrichtungen durch kirchliche Obrigkeiten besteht seit dem frühen Christentum61. Der organisatorische Rahmen dafür wurde auf Synoden und Konzilien ab dem 4. Jahrhundert geschaffen, etwa am Konzil von Tarragona (516) und auf der Synode von Toledo (633). In karolingischer Zeit wurden kirchliche Obrigkeiten dazu verpflichtet, sich einer Kontrolle durch weltliche Machthaber zu unterziehen62. Ebenfalls im Frühmittelalter, im Jahr 906, stellte Regino von Prüm († 915) seine bischöfliche Visitationsordnung Libri duo de synodalibus causis et disciplinis ecclesiasticis zusammen, ein Handbuch für Visitatoren kirchlicher Einrichtungen, das in zwei Teilen einen Katalog von insgesamt 185 Fragen zu Pfarrkirche, -inventar und -einkünften sowie zu Klerus und Laien bietet. In dieser Konzeption übte es nachhaltigen Einfluss auf weitere spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Werke der Visitationsliteratur sowie auf die Verfahrensweisen bei kirchlichen Visitationen aus63. Im Mittelalter ist ein sukzessiver Verfall der Praxis der Pfarrvisitation zu beobachten64. Ab dem 11. Jahrhundert visitieren nicht mehr die Bischöfe selbst die Pfarren, sondern Archidiakone als deren Vertreter, aber auch weltliche Herrscher, welche insbesondere an der Kontrolle der Finanzen interessiert waren und so die bischöflichen Jurisdiktionsrechte nachhaltig einzuschränken suchten.
Nachdem im 14. und 15. Jahrhundert kaum Visitationen durchgeführt worden und bis zu Beginn des 16. Jahrhunderts zahlreiche Versuche zu Synodalreformen gescheitert waren, erfolgte im Zuge der aufkommenden reformatorischen Tendenzen eine allmähliche Wiederbelebung der bischöflichen Visitationstätigkeit65. Diesbezügliche Aktivitäten der Bischöfe geschahen vor allem in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, jedoch zunächst von landesfürstlicher Seite initiiert und geleitet. Durch die aktive Involvierung katholischer Landesfürsten in kirchliche Angelegenheiten sollten in der Reformationszeit der katholische Glaube gestärkt und die bestehenden weltlichen Machtverhältnisse abgesichert werden66. Landesfürstliche Visitationen zielten vor allen Dingen darauf ab, auf die Steuern- und Abgabenleistungen der Gemeinden direkt zugreifen zu können und die katholischen Klöster, Stifte und Pfarren als verlässliche Geldgeber zu behalten67.
Ähnliche Ziele verfolgten auch protestantische Territorien in Deutschland, in denen das Instrument der Visitation dazu diente, katholische Pfarrer aufzuspüren und die finanziellen Grundlagen für die evangelische Seelsorge in den Pfarren zu erhalten68. Visitationsprotokolle aus dem evangelischen Sachsen im 16. und 17. Jahrhundert belegen, dass die Visitationen ähnlich wie die im katholisch dominierten Österreich abliefen, da auch hier die weltlichen Landesfürsten und kirchlichen Obrigkeiten gemeinsam wirkten69. Die Praxis der Visitation diente also sowohl den katholischen als auch den protestantischen Herrschaftsbereichen zur Stärkung der eigenen konfessionellen Identität und stellte somit ein wesentliches Element der Konfessionalisierung dar.
Ein erster Versuch der katholischen Kirche in den österreichischen Landen, die bischöfliche Visitation auf diözesaner Ebene wiedereinzuführen, wurde im Jahr 1521 durch den Kardinal und Erzbischof von Salzburg (1519–1540) Matthäus Lang von Wellenburg unternommen. Dieser scheiterte jedoch aufgrund des Widerstands der bayerischen und österreichischen Landesfürsten, die sich für Visitationen unter der Leitung von Archidiakonen aussprachen70. In der Folge standen die Visitationen kirchlicher Einrichtungen in den österreichischen Erblanden im Spannungsverhältnis zwischen kirchlichen und weltlichen Autoritäten. Mit Abschluss der 24. Session des Konzils von Trient im November 1563 war von kirchlicher Seite eine Aufwertung des Bischofsamtes, eine Wiederherstellung der bischöflichen Visitation, ja Visitationspflicht des Bischofs vorgesehen. Hiermit beschritt die katholische Kirche einen inneren Reformkurs, im Rahmen dessen regelmäßige Kontrollen katholischer Einrichtungen und Kleriker durch den Bischof vorgesehen waren71. Die Frequenz und Qualität der vorgenommenen Visitationen waren regional unterschiedlich und stets von den jeweiligen politischen Gegebenheiten abhängig72.
Von den in den habsburgischen Erblanden im 16. Jahrhundert durchgeführten Visitationen sind bislang diejenigen am besten dokumentiert, welche in der Steiermark abgehalten wurden73. Dort wurden ab dem Spätmittelalter auch landesfürstliche Visitationen vorgenommen, die teils auf päpstlichen Privilegien basierten. Ausgehend vom Salzburger Erzbischof wurden in den Jahren 1523 bis 1525 steirische Pfarren durch Salzburger Archidiakone visitiert, jedoch ohne nachhaltige Wirkung für die katholische Reform74. Die Aufgabe der Archidiakone bestand darin, ihre Sprengel zu bereisen und nach Besichtigung und Befragung Berichte über die Rechtsverhältnisse der einzelnen Pfarren und den Zustand des Pfarrklerus vorzulegen75.
In der Folge wurden in enger Kooperation mit den Bischöfen durch den Landesfürsten geleitete Visitationen durchgeführt, ein Organisationsmodell, das sich im Verlauf des 16. Jahrhunderts durchsetzte.76 Die erste flächendeckende landesfürstliche Visitation erfolgte in der Steiermark unter der Ägide Erzherzog Ferdinands I. (1503–1564) und wurde nach ihrer Ankündigung am 24. März 1528 vom 8. Mai bis zum 23. Juli desselben Jahres durchgeführt77. Der Salzburger Erzbischof wurde nur insofern eingebunden, als er einige Geistliche für die Visitationskommission beisteuerte. Die Befragungen der visitierten Kleriker und weltlichen Amtsleute erfolgten von zentral gelegenen Städten und Märkten aus, wobei die Kommission sich nicht länger als zwei Tage an einem Ort aufhielt. Bei festgestellten Verstößen konnten Bußübungen oder Arrest auferlegt werden, nach erfolgter Visitation wurden Anweisungen zur Verbesserung des Zustands übermittelt. Vermerkt wurden von Seiten der katholischen Visitatoren vor allem das fehlende Amtsverständnis der Pfarrer – unerlaubte Absenzen, die Einhebung zu hoher Taxen für liturgische und seelsorgerische Dienste – ebenso wie lutherische Praktiken in der Liturgie und die oftmals schlechte finanzielle Lage der Pfarren78. Das Protokoll zur Pfarrvisitation in der Steiermark im Jahr 1528 ist, wie auch die Protokolle zu den folgenden Visitationen, eine wichtige Quelle zur Rekonstruktion des Pfarrnetzes und der Pfarrorganisation79.
Die steirischen Pfarren und Klöster wurden auch in den Jahren 1544 und 1545 einer landesfürstlichen Visitation unterzogen80. Wie auch in den nachfolgenden Jahrzehnten wurde auch diesmal weniger auf die Befragung der Pfarrzugehörigen gesetzt als vielmehr auf die Klärung der kirchlichen Rechtsverhältnisse, die Kontrolle des Kirchengutes und die Einhaltung der liturgischen Ordnung. Diese inhaltliche Schwerpunktsetzung erfolgte auch noch über 30 Jahre später bei der Visitation der steirischen Klöster und Pfarren im Jahr 1581, welche vom Salzburger Erzbischof im Zusammenwirken mit dem Landesfürsten Erzherzog Karl II. (1540–1590) organisiert und durchgeführt wurde und den Auftakt zur innerkatholischen Reform und zu verstärkten gegenreformatorischen Praktiken in Innerösterreich bildete81.
Die Visitationskommission von 1581 setzte sich aus Abgesandten des Salzburger Erzbischofs und der Jesuitenkollegien in Graz und Wien sowie aus landesfürstlichen Kommissaren und dem seit 1580 in Graz residierenden apostolischen Nuntius zusammen. Einer Prüfung unterzogen wurden insbesondere die innerösterreichischen Stifte und Klöster. Ausgehend vom Benediktinerstift Admont wurden ab August 1581 unter anderem das Chorherrenstift Rottenmann und die Stifte Göß, Rein und Neuberg visitiert82. Durch Autopsie der Stiftskirchen und -inventarien sowie durch umfassende Zeugeneinvernahmen von geistlichem und weltlichem Verwaltungspersonal suchte die katholische Kommission, sich einen Überblick über die Glaubenssituation und die wirtschaftliche Gebarung zu verschaffen. Die Konsequenzen, die von den katholischen Obrigkeiten aus dieser Visitationsreise gezogen wurden, sind beispielhaft für die gegenreformatorischen
Aber nicht nur in der Steiermark, sondern auch in Österreich ob und unter der Enns wurden ab den 1520er Jahren teils auf landesfürstliche, teils auf bischöfliche Initiative Visitationen von Stiften und Klöstern durchgeführt. So gab Erzherzog Ferdinand von Österreich am 12. April 1528 eine Instruktion zu einer bevorstehenden Visitation in den österreichischen Ländern heraus83. Das Hauptinteresse dieser Visitation seitens des Landesfürsten lag darin, die politische und wirtschaftliche Oberhoheit gegenüber dem landständischen Adel zu sichern. Im Rahmen der zwischen dem 24. und 26. Juli 1528 in Wien durchgeführten Visitation wurden das Schottenkloster und weitere Wiener Klöster inspiziert. Dem Bericht zufolge befanden sich im Schottenkloster außer dem Abt Michael, der gegen den Zölibat verstoßen und Klostergut veruntreut hätte, lediglich sieben Mönche. Zudem seien der Prior des Karmeliterklosters wegen Unsittlichkeit verhaftet und der Dechant von St. Dorothea sowie das Frauenkloster Maria Magdalena vor dem Schottentor des Besitzes lutherischer Bücher bezichtigt worden84.
Für die Mitte des 16. Jahrhunderts sind einige Visitationen belegt, die sowohl in der Steiermark als auch in Österreich ob und unter der Enns durchgeführt wurden und den Fokus auf die temporalia und spiritualia, die geistlichen und weltlichen Belange von kirchlichen Einrichtungen, beibehielten. Im Rahmen der Visitation, die im Jahr 1544 in den genannten habsburgischen Erbländern durchgeführt wurde, suchten Kommissionen, bestehend aus vier Personen, die dem Klerus und der landesfürstlichen Verwaltung zuzurechnen waren, die wirtschaftlichen Verhältnisse in den Pfarren, den baulichen Zustand der Kirchen und die konfessionelle Gesinnung der Pfarrgeistlichkeit zu ermitteln85. Die durchgeführten Visitationsreisen ergaben unter anderem, dass aufgrund des allgemeinen Priestermangels zahlreiche Pfarren unbesetzt waren oder durch Pfarrer aus Nachbarorten mitbetreut wurden und dass die adeligen Grund- und Patronatsherren auf die Kirchengüter zuzugreifen suchten86. Aufgrund des immer noch vorherrschenden Mangels an Geistlichen wurde von der Regierung Österreichs unter der Enns für die Visitation 1555 verfügt, nicht mit aller Härte gegen Pfarrer mit als unkatholisch eingestuftem Lebenswandel vorzugehen. Der Blick solle vielmehr auf die liturgische und seelsorgerische Arbeit der Pfarrer gerichtet werden87. Auch diese Kommission setzte sich aus Klerikern und weltlichen Funktionären zusammen und suchte unter anderem zu klären, in welcher Form die Kommunion dargereicht, weitere Sakramente gespendet und Fast- und Feiertage begangen wurden. Geprüft wurden außerdem die Zahl der Priester und Kommunikanten in den Pfarren sowie der Ordensleute in den Klöstern, ebenso wie die Pfarrpfründe und die bauliche Ausstattung der Kirchen88.
Landesfürstlich bzw. kaiserlich angeordnete Klostervisitationen erfolgten in Österreich ob und unter der Enns auch in den Jahren 1561 und 156689. In seiner Instruktion vom 18. Februar 1561 kündigte Ferdinand I. eine Visitation durch kaiserliche Kommissäre an, die Mängel in der Führung der Klöster aufspüren sollten90. Auch in diesem Fall bestand die Kommission aus weltlichen und geistlichen Abgesandten, die bei Klerikern und Laienpersonal Fragen zur Einhaltung der Ordensregeln, der Liturgie in den Klosterkirchen und der weltlichen Administration zu klären suchten91. Die Visitationsberichte zeichnen ein deutliches Bild: In vielen Klöstern wäre es Usus gewesen, die Kommunion sub utraque specie zu spenden, von den Ordensregeln abzuweichen, die Gottesdienste zu vernachlässigen und ein Leben mit Frauen und Kindern zu führen92. Ergebnisse der Visitation in Wien im Speziellen sind kaum greifbar. Für das Schottenkloster, welches zwischen 11. und 13. September 1561 visitiert wurde, werden die schlechte Verwahrung des Altarsakraments und die Spende der Kommunion sub utraque specie gemeldet93.
Als Konsequenz aus den zahlreichen festgestellten Mängeln wurde ab 17. November 1561 eine neuerliche Visitation von Klöstern in Österreich ob und unter der Enns vorgenommen, die jedoch aus Sicht der katholischen Autoritäten ebenso wenig von Erfolg gekrönt war94. Denn ein ähnliches Bild wie schon 1561 ergibt sich aus den spärlichen Informationen zur Klostervisitation, die ab dem Februar 1566 unter dem neuen Kaiser Maximilian II. (reg. 1564–1576) in Österreich unter der Enns unternommen wurde95. Demnach ist von einer geringen Anzahl an Konventualen, Mängeln in der Verwaltung und der allgemeinen Verbreitung lutherischer Lehren auszugehen96. Als Folge der Visitationen in den 1560er Jahren wurde am 22. Dezember 1567 eine Generalordnung für Stifte und Klöster erlassen, welche eine Reorganisation dieser Institutionen nach katholisch-tridentinischen Prinzipien vorsah97. Als weitere kontrollierende Maßnahme seitens der katholischen Kirche wurde unter Maximilian II. am 5. Jänner 1568 ein Klosterrat errichtet, der mit Exekutionsgewalt über in kaiserlicher Lehenschaft befindliche kirchliche Einrichtungen ausgestattet wurde. Diese Einrichtung erlaubte es, von der Praxis großflächig angelegter Visitationen ab- und zu Kontrollen auf regionaler und lokaler Ebene überzugehen98.
Lediglich zwei weitere Visitationen in größerem Stil wurden in den Jahren 1569 und 1575 durchgeführt. Die von Kardinal Giovanni Francesco Commendone (1524–1584) als päpstlichem Legaten vorgenommene Visitation der Wiener Diözese im Jänner 1569 ergab, dass zahlreiche Angehörige des Wiener Domkapitels zusammen mit ihren Ehefrauen oder Konkubinen lebten oder der Häresie verdächtigt wurden. Die Verabreichung der
Die besseren Erfolge wurden stets mit Visitationen erzielt, die von kirchlicher und landesfürstlicher Seite gemeinsam initiiert wurden102. Mit dieser Zusammenarbeit kirchlicher und weltlicher Instanzen bei der Planung und Durchführung von Visitationen wird einmal mehr der (religions)politische Wesenszug des 16. Jahrhunderts deutlich: die "Verquickung von Religion und Politik"103. Die Bestrebungen zur Sicherung der konfessionellen Grenzen, welche die katholische Kirche in den österreichischen Erblanden in Kooperation mit den Landesfürsten unternahm, manifestieren sich auch in anderen Gebieten nördlich der Alpen. Für mehrere Diözesen im Reich sind in den Jahrzehnten nach dem Konzil von Trient ebenfalls Visitationsprotokolle erhalten, aus denen sich ein ähnliches Bild wie für Österreich ergibt: Die aus katholischer Sicht noch kaum fruchtenden Kontroll- und Disziplinierungsmaßnahmen werden mit Ende des 16. Jahrhunderts soweit intensiviert, dass spätestens zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Rekatholisierung großer Territorien im deutschsprachigen Mitteleuropa in vollem Ausmaß einsetzen kann104.
Der Protestantismus im Wien des 16. Jahrhunderts und der Beginn der Konfessionalisierung
In den katholischen Territorien im deutschsprachigen Raum setzte die Konfessionalisierung zu unterschiedlichen Zeiten ein. Abhängig von den inneren Strukturen der Landesverwaltung, der Zusammensetzung der politisch relevanten Gruppen und dem Verhältnis von kirchlichem und weltlichem Herrschaftsgebiet werden die ersten rekatholisierenden Maßnahmen umgesetzt105. Während Bayern in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schon als ein katholischer Konfessionsstaat bezeichnet werden kann, begann die katholische Reform in Österreich erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts und gelangte ab Beginn des 17. Jahrhunderts zu ihrer vollen Ausprägung. Vor dem Hintergrund der Aufrüstung gegen die Osmanen und der finanziellen Abhängigkeit vom Adel, der für die Steuerzahlungen verantwortlich war, waren die österreichischen Landesfürsten zu
Nach einer Phase des "konfessionelle[n] Pluralismus"110 in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzte durch Zusammenwirken der Landesherren und ihrer Behörden sowie der Bischöfe mit ihrer kirchlichen Verwaltung, dem Pfarr- und Ordensklerus, aber auch geprägt durch das Pfarrvolk selbst die Phase der katholischen Konfessionalisierung ein111. Der über mehrere Generationen evangelisch geprägte Adel vollführte nun eine allmähliche Kehrtwende hin zum Katholizismus und erfüllte insbesondere im 17. Jahrhundert eine wesentliche Funktion bei der Implementierung der katholischen Konfession. Die noch bis weit ins 17. Jahrhundert hinein bestehenden Unklarheiten in den kirchlichen Riten und die Unterschiede in städtischen und ländlichen Gebieten ergaben jedoch oftmals immer noch ein buntes konfessionelles Bild, das erst ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch den Katholizismus als Mehrheitskonfession ersetzt wurde112.
Die Stadt Wien, deren Bevölkerungszahl, ihre Vororte miteingeschlossen, von 1520 bis 1600 von etwa 30.000 auf etwa 50.000 Einwohner anstieg, bildete das gesellschaftliche und politische Zentrum Österreichs unter der Enns und wurde unter Ferdinand I. auch zur kaiserlichen Residenz113. Unter Kaiser Friedrich III. war Wien im Jahr 1469 aus der Passauer Diözese herausgelöst und zu einem eigenständigen Bistum ernannt worden, war mit nur drei Stadtpfarren – St. Stephan, St. Michael und der Schottenpfarre – und 14 Landpfarren jedoch von geringer Größe und Bedeutung114. Das Territorium der Diözese umfasste neben dem Stadtgebiet Wiens Gebiete im Osten bis zur Schwechat, im Süden bis zum Petersbach und zur Liesing und wurde im Westen und Norden von den Wienerwaldbergen begrenzt115. Von Beginn der Reformation an war Wien ein Zentrum des Protestantismus. Bereits um 1530 gab es zahlreiche lutherische Pfarren in und um Wien, auch das Bürgertum bekannte sich großteils zum Luthertum. Es ist davon auszugehen, dass sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Mehrheit der Wiener
Kaiser Maximilian II., der als Erzherzog von Österreich auch Landesherr über Wien war, suchte – veranlasst durch finanziellen Druck, der von Seiten der protestantischen Stände ausgeübt wurde – einen Ausgleich mit den Protestanten zu erreichen und gestand den evangelischen Herren und Rittern samt deren Untertanen durch die Religionskonzession 1568 Glaubensfreiheit zu118. Bestätigt wurde dies für Österreich unter der Enns 1571 durch die Religionsassekuration, die jedoch die landesfürstlichen Städte und Märkte, also auch Wien, ausnahm119. In der Folge entwickelte sich ein evangelisches Predigt- und Schulwesen, 1574 erhielten die protestantischen Stände die Erlaubnis zur Abhaltung evangelischer Gottesdienste im niederösterreichischen Landhaus in der Wiener Herrengasse, die über vier Jahre aufrecht blieb120. Zahlreiche protestantische Herren etablierten auf ihren Besitzungen und Schlössern rund um Wien ebenfalls evangelische Gottesdienste, zu denen auch Wiener Bürger ausliefen121. Die Stärke der protestantischen Bürgerschaft in Wien manifestierte sich auch in der großen Zahl an Evangelischen im äußeren und inneren Stadtrat, mit Christoph Hutstocker gab es von 1576 bis 1577 auch einen evangelischen Bürgermeister122. Zudem war auch Maximilian II. Anhänger einer "via media" zwischen den Konfessionen und akzeptierte an seinem Hof protestantische Prediger und Berater123.
Der Aufschwung des Protestantismus brachte für die katholische Diözese Wien nicht nur einen gravierenden Schwund an Pfarrvolk und Pfarrern, sondern auch weitreichende finanzielle Einbußen mit sich, da Stolgebühren und andere Einnahmequellen immer häufiger ausblieben124. Die sich sukzessive zu einer "Minderheitenkirche"125 entwickelnde katholische Kirche sah sich daher gezwungen, den Protestanten in verschiedenen Bereichen zunächst Zugeständnisse zu machen. So wurde unter Bischof Johannes Fabri (reg. 1530–1541) ab 1535 die Osterkommunion in beiderlei Gestalt gestattet126. Unter den Pfarrern wurde es zusehends üblich, sich zwischen den Konfessionen zu bewegen und
Nach dem Tod Maximilians II. im Jahr 1576 erfolgte mit dem Regierungsantritt Rudolfs II. (reg. 1576–1612) ein abrupter Wechsel der Religionspolitik127. Der neue Kaiser verbot 1577 den Protestanten die öffentliche Religionsausübung und ließ die lutherische Landhauskapelle und die protestantische Kirche im Schloss Hernals sperren. Zudem verbot er den Wienerinnen und Wienern das Auslaufen zu evangelischen Gottesdiensten auf den Herrensitzen im Umland, ließ lutherische Prediger aus Wien ausweisen und Buchläden bei St. Stephan auf etwaige protestantische Lektüre überprüfen128. Für Protestanten bedeutete dies auch den Verlust politischer Freiheiten, da die Zugehörigkeit zur katholischen Konfession nun zur Bedingung für die Erlangung des Wiener Bürgerrechts und eine Karriere in der Stadtverwaltung gemacht wurde.
Erzherzog Ernst (reg. 1576–1593), der jüngere, ebenfalls streng katholische Bruder Rudolfs II., wurde im Jahr 1576 zum Statthalter Österreichs unter der Enns und trieb bis zu seinem Abtritt 1593 das gegenreformatorische Programm Rudolfs II. auf landesfürstlicher Ebene maßgeblich voran129. Die in den 1570er Jahren einsetzenden Rekatholisierungsbestrebungen der Landesfürsten wurden durch die enge und organisierte Zusammenarbeit mit Vertretern des katholischen Klerus intensiviert, ja professionalisiert. Eine Schlüsselrolle übte hierbei der seit 1580 als Passauer Offizial und seit 1590 als Generalreformator in Österreich unter der Enns tätige Melchior Khlesl aus, der in seiner Funktion als Wiener Bischof in den Jahren 1598 bis 1630 die katholische Konfessionalisierung fortsetzte130.
Seitens der katholischen Kirche in Wien wurden ab der Mitte des 16. Jahrhunderts verstärkte Maßnahmen zur Wiederherstellung der katholischen Konfession gesetzt. Als "gegenreformatorische Klosteroffensive"131 wurden insbesondere in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts zahlreiche geistliche Orden in Wien angesiedelt, darunter 1600 die Kapuziner in St. Ulrich und 1614 die Barmherzigen Brüder, sowie Kirchen und Klöster neu gegründet132. Eine besondere Bedeutung für die katholische Konfessionalisierung kam dem Jesuitenorden zu, der bereits unter Kaiser Ferdinand I. 1551 nach Wien geholt worden war und sich zunächst im Dominikanerkloster einquartiert hatte133. Die seit 1563 im Karmeliterkloster Am Hof angesiedelten Jesuiten waren durch landesfürstliche Unterstützung mit dem Aufbau eines Kollegs und einer Schule betraut worden134. Durch
Jesuitische Predigten richteten sich gegen protestantische Lehren und Praktiken, insbesondere auch gegen den Laienkelch136. Die Frage, ob den Kommunikanten zusätzlich zum Allerheiligsten Sakrament der Hostie auch der Kelch dargeboten werden sollte, war auch innerhalb der katholischen Kirche strittig. Nachdem das Konzil von Trient in dieser Sache keine Entscheidung geliefert hatte, bewilligte Papst Pius IV. am 16. April 1564 den Laienkelch in bestimmten Regionen und unter bestimmten Voraussetzungen137. Der bischöfliche Administrator des vakanten Bistums Wien, der Gurker Bischof Urban Sagstetter (reg. 1563–1568), ließ auf der Basis dieses päpstlichen Breve eine Instruktion erstellen, in welcher die Bedingungen für die Kommunion in beiderlei Gestalt festgehalten wurden138. Demnach müsse ein eigener Kelch für die Kommunion sub utraque specie verwendet werden, der sorgfältig verwahrt werden sollte; eine Kelchkommunion würde ausschließlich im Rahmen der Messfeier in der Kirche und am Altar denjenigen gestattet, die dies explizit gefordert hätten. Die Verweigerung des Laienkelchs durch die Jesuiten in Wien geschah gegen die bischöfliche Anordnung139. Dass die Kommunion sub utraque specie sich in vielen der 1582 visitierten Wiener Landpfarren noch findet, zeigt, dass es sich dabei um eine über Generationen gepflegte Praxis gehandelt haben muss, die jedoch durch die schärferen Konfessionalisierungsmaßnahmen der katholischen Kirche schließlich auch offiziell eingestellt wurde, in Wien unter Kardinal Khlesl im Jahr 1607140.
Während noch zu Beginn der 1580er Jahre ein Großteil der österreichischen Adeligen lutherisch war, waren es am Ende der rudolfinischen Ära zu Beginn des 17. Jahrhunderts schon bedeutend weniger141. Beschleunigt durch die verstärkt betriebene katholische Erziehung in jesuitischen Bildungseinrichtungen und durch die rigorosen Verbote protestantischen Lebens durch Rudolf II. erfolgte ab der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert eine rasche Rekatholisierung Österreichs142. Eine letzte Atempause brachte den Wiener Protestanten der Konflikt zwischen Kaiser Rudolf II. und seinem Bruder Matthias, im Zuge dessen den Nicht-Katholiken noch Zugeständnisse gemacht wurden, so konnten die Jörger in Hernals 1609 noch einmal ihre lutherische Pfarre einrichten143. Nachdem Erzherzog Ferdinand von Innerösterreich die Rekatholisierung in der Steiermark militant vorangetrieben hatte, führte er diesen Kurs auch als Kaiser Ferdinand II. und als Landesfürst der österreichischen Erblande (reg. 1619–1637) weiter144. Unter ihm und unter sei-
Die Visitation 1582 und ihre Protagonisten
Zur praktischen Umsetzung der katholischen Konfessionalisierung wirkten die weltlichen Landesfürsten von Österreich unter der Enns eng mit den Wiener Bischöfen zusammen. Erzherzog Ernst von Österreich, der sein Amt als Statthalter 1576 von seinem Bruder Rudolf II. übernommen hatte, suchte durch die Setzung verschiedener repressiver Maßnahmen gegen die Protestanten die katholische Reform auch in Wien voranzutreiben147. Die Abhaltung und der Besuch evangelischer Gottesdienste wurden ebenso untersagt wie der bloße Aufenthalt evangelischer Prädikanten in Wien, die von evangelischen Gläubigen frequentierte Landhauskapelle wurde 1577 und 1578 geschlossen148. Die Zugehörigkeit zur katholischen Konfession bildete nun die Bedingung für die Mitgliedschaft im Wiener Stadtrat und für die Zuerkennung des Wiener Bürgerrechts. Mittels einer Bittschrift, dem sogenannten "Wiener Bürgerlibell", vom 19. Juli 1579 und durch einen Bittgang in den Burghof, den "Fußfall oder Kniefall der 5.000", versuchten protestantische Ratsherren und Bürger vergeblich, ihrem offiziellen Gesuch Nachdruck zu verleihen und den Landesherren zu Zugeständnissen und zur Anerkennung des Augsburger Bekenntnisses zu bewegen149. Als Konsequenz betrieb Ernst jedoch seine anti-protestantische Konfessionspolitik noch unnachgiebiger, ließ im Stadtrat ausschließlich Katholiken zu und beabsichtigte die Ausweisung zuwiderhandelnder Bürger aus der Stadt Wien.
Gestützt auf diese konfessionelle Politik ihres Landesfürsten weitete die katholische Kirche in Wien ab Ende der 1570er Jahre ihre katholisch-konfessionalisierenden und gegen die Protestanten gerichteten Maßnahmen aus. Durch die namentliche Nennung Ernsts in den das Visitationsprotokoll von 1582 begleitenden bischöflichen Dekreten lässt sich die Visitation in ebendiesen Kontext des vehementen Vorgehens des Landesherrn gegen alle Nicht-Katholiken einordnen. Eine enge Kooperation mit dem weltlichen Herrscher in der Konfessionsfrage ging der damalige Wiener Bischof Johann Caspar Neubeck (auch: Neuböck, reg. 1574–1594) ein, der nach der administrativen Leitung des Bistums durch den Gurker Bischof einige Jahre zuvor den Bistumssitz übernommen hatte150. In seiner entschieden katholischen Ausrichtung suchte er durch verschiedene Maßnahmen, die katholische Konfession wieder zu etablieren: Er unterstützte insbesondere den Jesuitenorden, förderte katholische Bruderschaften wie die Fronleichnamsbruderschaft, propagierte Gottesdienste nach katholischem Ritus, pflegte den Kult um das Allerheiligste Altarsakrament und ließ neue katholische Heiligtümer wie die Stanislaus-Kostka-
Mit dem Wirken Johann Caspar Neubecks setzte auch von Seiten der offiziellen kirchlichen Institutionen in Wien ein kompromissloses Vorgehen gegen Protestanten ein, was als Beginn der katholischen Restauration in Wien gewertet werden kann152. Die Visitation der Wiener Landpfarren 1582 bildet einen Auftakt zur praktischen Anwendung und Realisierung des katholischen Regelwerks, das im bereits fast zwei Jahrzehnte zurückliegenden Konzil von Trient in der Theorie erarbeitet worden war.
Die protestantischen Pfarren im Wiener Umland
Einzelne Herrensitze im Wiener Umland entwickelten sich im 16. Jahrhundert zu Zentren des Protestantismus: im Nordwesten Hernals und St. Ulrich, im Süden Inzersdorf, Atzgersdorf, Vösendorf und Rodaun153. Die jeweiligen Patronatsherren hatten sich meist schon früh dem Protestantismus zugewandt, unterhielten in den bestehenden Pfarren evangelische Prediger und installierten so über mehrere Generationen bestehende protestantische Kirchen. In St. Nikolaus in Inzersdorf war die Grundherrenfamilie Geyer zu Osterburg die Förderin des Protestantismus. Seit 1562 war Adam Geyer, seit 1586 dessen Bruder Christoph Geyer federführend im Aufbau der Pfarre zu einem protestantischen Zentrum, das regionale Bedeutung erlangte, da insbesondere Ende der 1570er und Anfang der 1580er Jahre zahlreiche Protestanten aus Wien dorthin ausliefen154. Im Zuge der verstärkten Konfessionalisierungsmaßnahmen wurde die Abhaltung lutherischer Gottesdienste und Predigten durch Intervention des Wiener Bischofs bei Kaiser Rudolf II. 1585 unterbunden und die Kapelle in Inzersdorf 1588 geschlossen155. Nach einer erneuten Wiedereröffnung der Kapelle 1608 unter Erzherzog Matthias wurde sie im Jahr 1625 wieder gesperrt und die protestantischen Prediger und Schulmeister in der Folge ausgewiesen156. Die Pfarre Inzersdorf wurde zur Filialkirche von Atzgersdorf degradiert und erhielt erst 1637 wieder den Status einer selbstständigen, nun aber katholischen Pfarre. Im vorliegenden Visitationsprotokoll wird die Pfarre Inzersdorf im Zusammenhang mit der Pfarre Gumpendorf genannt. Den Angaben im Protokoll zufolge liefen einige Personen, die der Pfarre Gumpendorf zugehörig waren, nach Inzersdorf aus, was für ihre konfessionelle Zugehörigkeit zum Protestantismus spricht (fol. 357v: Aliqui frequentant ecclesiam Inzerstorff.).
Die in unmittelbarer Nähe zu Inzersdorf liegende Pfarre Atzgersdorf wird im Visitationsprotokoll von 1582 ausführlich abgehandelt und als dem Luthertum nahe klassifiziert (fol. 349r–350r). Der Pfarrer Sebastianus de Sancto Benedicto bezeichne sich selbst als
Die Pfarre Atzgersdorf war im 16. und 17. Jahrhundert in der Tat ein weiteres Zentrum des Protestantismus im Süden Wiens157. Die Herrschaft stand wie Inzersdorf unter habsburgisch-landesfürstlicher Oberhoheit und wurde in den Jahren zwischen 1575 und 1590 als Lehen an die Familie Ratmannsdorf vergeben158. Bereits in den 1530er Jahren sind dort Protestanten belegt. Die Tatsache, dass der Pfarrer Sebastianus de Sancto Benedicto im Jahr 1582 offenbar gleichsam kryptoprotestantisch wirkte, zeigt die über viele Jahrzehnte währende Kontinuität protestantischen Lebens, welches mit Rudolf II. durch die ersten systematischen Rekatholisierungsmaßnahmen unterbunden wurde: 1581 durch die Belehnung der katholischen Grafen von Tribulz mit den Herrschaften Mauer, Atzgersdorf und Unterliesing, durch die Einziehung der Herrschaft durch die Hofkammer in den 1630er Jahren und durch die Installierung der Jesuiten als Grundherren über Atzgersdorf und Unterliesing in den Jahren 1656 bis 1773159.
Die auf fol. 349v und 350r im Protokoll als Filiale von Atzgersdorf geführte Kapelle St. Erhard in Mauer (Maur) wurde zur Zeit der Visitation 1582 vom Hütteldorfer Pfarrer mitbetreut, was als ein Beleg für den herrschenden Pfarrermangel gewertet werden darf. Im Gegensatz zu den in der Nähe befindlichen lutherisch geprägten Pfarren Rodaun und Inzersdorf wirkten in Mauer die reformatorischen Lehren weniger stark, da durch die Landesfürsten katholische Lehensmänner eingesetzt wurden160. Auch im Visitationsprotokoll von 1582 sind keine Anzeichen dafür zu finden, dass Mauer protestantisch gewesen wäre. Rudolf II. hatte 1581 auch Mauer den katholischen Grafen Tribulz übertragen, unter deren Herrschaft es bis 1602 stand161. Im Jahr 1609 wurde Mauer an das Jesuitenkolleg abgetreten, in dessen Besitz es bis zur Auflösung des Ordens 1773 verblieb162.
Bezeichnend für die Herrschaften und Pfarren im Süden Wiens ist die starke Präsenz des Protestantismus im 16. Jahrhundert, die sicherlich auch auf die Zerstörungen durch die Osmanen im Jahr 1529 und das anschließende politische und seelsorgerische Vakuum zurückzuführen ist. Die katholischen Landesfürsten und Bischöfe suchten diesen Entwicklungen dadurch zu begegnen, dass sie ebenso starke katholische Gegenherrschaften aufbauten. So wurden als Gegengewicht zu den protestantischen Pfarren in Vösendorf, Inzersdorf und Rodaun die katholischen Grafen von Tribulz in Mauer und Kalksburg eingesetzt und zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Kalksburg die Jesuiten angesiedelt, die die rasche Rekatholisierung im Süden von Wien einläuteten163.
Das zweite protestantisch geprägte Zentrum war die nordwestlich von Wien gelegene Grundherrschaft und Pfarre Hernals. Die Herrschaft war noch unter Kaiser Maximilian I. als Lehen ebenfalls an die dann lutherische Familie Geyer zu Osterburg gelangt, die bereits im Jahr 1548 einen evangelischen Prädikanten bestellte164. Zusätzlich zum schon 1577 verhängten Verbot des Auslaufens wurde 1579 die Hernalser Kirche unter Rudolf II. gesperrt und die Prädikanten ausgewiesen165. Die evangelischen Gottesdienste und Predigten wurden jedoch im Schloss Hernals fortgesetzt. Unter den neuen Gutsbesitzern, der ebenfalls lutherischen Familie der Jörger von Tollet, die 1587 Herrschaft und Kirche ohne die ausdrückliche Zustimmung des Lehensherren erworben hatten, wurde Hernals abermals protestantisch geprägt und empfing auch eine große Anzahl an Wienerinnen und Wienern, die dorthin ausliefen166. Mit dem Regierungsantritt Kaiser Ferdinands II. 1619 wurden strenge gegenreformatorische Maßnahmen gestartet, im Zuge derer 1625 das kaiserliche Lehen Hernals den Jörgern entzogen und dem Domkapitel zu St. Stephan überantwortet wurde167. Die vormalige Hochburg des Protestantismus wurde in den folgenden Jahrzehnten unter jesuitischer Beteiligung zu einer Stätte der Manifestation katholischen Kults umfunktioniert und durch die Einrichtung eines Wallfahrtszentrums nun eindeutig katholisch besetzt. Von St. Stephan führte ein Prozessionsweg mit Kreuzwegstationen hinaus zur nun bestehenden Kirche zum Heiligen Grab168. Wie die meisten anderen Adelsfamilien nahmen auch die Jörger wieder politische Ämter ein, waren nun jedoch zur katholischen Konfession übergetreten.
Ebenfalls mit der Geschichte des Protestantismus verbunden ist die Pfarre St. Ulrich, die im Jahr 1566 mit Lorenz Ostermayr einen protestantischen Patronatsherrn erhielt169. Durch die Unterdrückung evangelischer Religionsausübung von offiziell katholischer Seite, manifest durch die Schließung der Landhauskapelle in der Wiener Herrengasse 1578, gewann St. Ulrich als Anlaufpunkt für auslaufende Protestanten und Protestantinnen aus Wien an Bedeutung, zumal es näher an der Stadt lag als Hernals oder Inzersdorf. Mit dem im Jahr 1588 beginnenden Wiederaufbau der Kapelle, die schon 1529 durch die Osmanen zerstört und 1574 abgetragen worden war, wurden gegenreformatorische Maßnahmen intensiviert. Die zur Zeit der Visitation 1582 noch divers gestreuten grundherrschaftlichen Verhältnisse – u. a. scheinen im Protokoll das Domkapitel von St. Stephan, der Passauer Bischof und der als evangelisch bekannte Lorenz Ostermayr auf – wurden zugunsten der katholischen Gegenreformatoren entschieden, als der Grundbesitz an das Schottenstift übergeben wurde. Die Tatsache, dass für 1582 bereits ein Jesuit als Prediger in St. Ulrich genannt wird, zeigt ebenfalls den stärker werdenden Druck der Gegenreformation.
Die zur Zeit der bischöflichen Visitation 1582 einschlägig protestantischen Kirchen Inzersdorf und Hernals wurden von der Kommission des Wiener Bischofs nicht visitiert, Hernals wird im Protokoll namentlich auch gar nicht genannt. Das Ziel der Überprüfung
Ablauf und Organisation der Visitation
Dem Visitationsprotokoll sind auch grundlegende Informationen zum Verlauf der zwischen 8. und 16. August 1582 durchgeführten Pfarrvisitation zu entnehmen170. Im Visitationsprotokoll scheinen 20 im Wiener Umland gelegene Pfarren auf, die einer Prüfung durch eine bischöfliche Visitationskommission unterzogen wurden. Von diesen Pfarren befinden sich fünf, nämlich St. Marx, Oberlaa, Simmering, Atzgersdorf und Mauer (damals Filialkirche), in den heutigen südlichen und östlichen Wiener Stadtgebieten sowie acht in den weiter im Süden gelegenen angrenzenden niederösterreichischen Gemeinden Laxenburg, Perchtoldsdorf, Brunn, Hennersdorf, Leopoldsdorf, Mödling, Lanzendorf und Biedermannsdorf. Weitere acht, Gumpendorf, St. Ulrich, die Siechenals, Penzing, Baumgarten, Ottakring, Währing und Oberdöbling, liegen im Nordwesten des damaligen Wiener Stadtgebiets. Bei Hennersdorf und Leopoldsdorf handelte es sich seit 1528 um einen Pfarrverband, sodass diese Pfarren 1582 gemeinsam visitiert wurden171.
Die im Protokoll nicht näher spezifizierte Visitationskommission führte in den Pfarren St. Ulrich, Währing, Oberdöbling, Simmering, Biedermannsdorf und Lanzendorf eine Untersuchung durch und besichtigte dabei Kirchengebäude, Pfarrhof und liturgisches Gerät. Die Pfarrer von Penzing, Ottakring, Gumpendorf, St. Marx, Atzgersdorf, Oberlaa und Mödling wurden hingegen zur persönlichen Befragung an den Wiener Bischofshof vorgeladen. In Brunn, Perchtoldsdorf, Laxenburg und Hennersdorf-Leopoldsdorf erfolgte nachweislich sowohl eine kommissionelle Beschau der Pfarren als auch die Befragung der Pfarrer im bischöflichen Palais. Für die übrigen Gemeinden, Baumgarten, die Siechenals und Mauer ist die Vorgehensweise im Protokoll nicht vermerkt. Diese Kombination von Visitationsreise und Mittelpunktvisitation, wie sie Peter Thaddäus Lang in seiner Typologie der Visitationen beschreibt172, bot zum einen administrativen Vorteil, da einige Pfarrer in die Zentrale im bischöflichen Palais in Wien zusammengezogen werden konnten, und zum anderen durch den persönlichen Besuch vieler Pfarren einen direkten Eindruck von den jeweils in den Pfarrgemeinden herrschenden Gegebenheiten.
Die Visitationsakten geben auch Aufschluss über die Bürokratie hinter der Visitation von 1582. Die betreffenden Pfarrer wurden durch bischöfliche Dekrete und Mandate von der bevorstehenden Visitation in Kenntnis gesetzt, wodurch juristische Verbindlichkeit
Die vorbereitenden Visitationsakten, Dekrete und Interrogatorium
Visitationen wurden in der Frühen Neuzeit von allen Konfessionen auf diözesaner und pfarrlicher Ebene abgehalten und stellen somit wichtige Quellen zur Geschichte der Konfessionalisierung dar173. Umsetzung, Ablauf und Folgen der Visitationen werden in den Visitationsakten greifbar, welche nicht nur die Visitationsprotokolle mit den Notizen zu den einzelnen Pfarren umfassen, sondern auch vor- und nachbereitendes Material174. Als Vorakten können die Ankündigung der Visitation in Gestalt fürstlicher oder bischöflicher Aussendungen, Instruktionen oder Interrogatorien an die Visitatoren sowie vorausgehende Pfarrberichte vorliegen. Die eigentlichen Protokolle liefern eine Dokumentation des Verlaufs der Visitation und halten die Beobachtungen der Visitationskommission fest175. Diese Visitationsprotokolle wurden meist nach Abschluss der Visitation erstellt, sodass mit nachträglichen Überarbeitungen gerechnet werden muss. Zu den Akten nach der Visitation zählen etwa zusammenfassende Berichte, Urteile, Rezesse und Dekrete, welche die Konsequenzen aus der erfolgten Visitation abbilden und disziplinierenden und juristischen Charakter aufweisen können. Außerdem können Beiakten wie Kirchenrechnungen, Inventarien176, Abgabenverzeichnisse, Korrespondenzen und Namenslisten mitüberliefert sein.
Trotz ihrer formalen Heterogenität – die Visitatoren notieren zumeist lediglich besonders auffällige Beobachtungen – sind die Visitationsprotokolle und -berichte für gewöhnlich diejenigen Visitationsakten, die am aussagekräftigsten sind und am meisten Information bieten. Insbesondere die nachtridentinischen Visitationsakten, die von der Mitte des 16. bis zum 18. Jahrhundert verfasst wurden, zeugen vom Visitationsaktivismus der katholischen Kirche und stellen wichtige Quellen zur innerkatholischen Reform dar177. Hinsichtlich der formalen Gestaltung dieser Protokolle lässt sich eine Entwicklung
Aus der Tatsache, dass die vorliegenden Visitationsakten in einem Protokollbuch des Konsistoriums der Wiener Diözese verzeichnet sind (WP 7, 1581–1587, fol. 295r–298r und 343r–364r), lässt sich schließen, dass es sich um eine kopiale Überlieferung handelt. Die ursprünglichen Aufzeichnungen wurden in zeitlicher Nähe zur Visitation angefertigt: Die Visitationsakten sind auf den 22. August datiert, unmittelbar vorher, zwischen dem 8. und 16. August, wurde die Visitation der Landpfarren durchgeführt.
Den Beginn der Visitationsakten bilden fünf bischöfliche Dekrete bzw. Mandate, die an die zu visitierenden Pfarrer adressiert sind (Abb. 1)179. Dabei handelt es sich um Ankündigungen der bevorstehenden Visitation, aus denen die Initiatoren und durchführenden Personen herauslesbar sind180. Die Dokumente sind in zweifacher Ausführung im Protokollbuch überliefert, zunächst im Protokoll zum Jahr 1582 (fol. 295r bis 296v) und ein weiteres Mal am Beginn des Protokolls zum darauffolgenden Jahr 1583 (fol. 343r bis 344r), wobei sich die Versionen im Wortlaut nur teilweise unterscheiden. Die Schreiben sind teils in deutscher, teils in lateinischer Sprache und teils in einer Mischung aus beiden verfasst. Die Dokumente Nr. 1, 2, 4 und 5 sind vom bischöflichen Kurienrat ausgestellt, bei Dokument Nr. 3 handelt es sich um die Ankündigung eines Dekrets ohne die explizite Nennung des Ausstellers. Gegenstand der Dekrete ist die Ankündigung der unmittelbar bevorstehenden Visitation der jeweiligen Pfarre. Dekret Nr. 1 vom 7. August 1582 (fol. 295rv und 343r) erging an den Pfarrer von Mödling und sollte laut Schlussvermerk in gleicher Form auch an die Pfarrer von Brunn und Perchtoldsdorf gesandt werden. Der Verweis auf den Landesherrn Erzherzog Ernst als Initiator zeigt das Zusammenwirken klerikaler und säkularer Kräfte in der Planung und Durchführung der Visitation. Im Dekret erfolgt die Aufforderung an den Adressaten, mit den Visitatoren zu kooperieren. Das ebenfalls auf den 7. August datierte und die Pfarren Mödling, Brunn und Perchtoldsdorf betreffende Dekret Nr. 2 (fol. 295v und 343r) bietet denselben Inhalt wie Dekret 1, ist jedoch an die Richter und Kirchenverwalter der Gemeinden gerichtet.
Der folgende Vermerk Nr. 3 unterscheidet sich in den beiden Textversionen. Version 1 (fol. 295v–296r) kündigt in lateinischer und deutscher Sprache ein Dekret an, welches die Pfarren Laxenburg, Biedermannsdorf, Hennersdorf, Schwechat und Simmering über die für den 13. August angesetzte Visitation erhalten sollten. Version 2 (fol. 343v), datiert auf den 11. August, bietet denselben Inhalt ausschließlich in lateinischer Sprache sowie einen Verweis über die Zustellung des Dekrets an die Richter, Kirchenpröpste und Zechmeister der genannten Pfarren. Das an die Pfarrer von Oberlaa und Lanzendorf adressierte und auf den 9. August datierte Dekret Nr. 4 (fol. 296r und 343v) in deutscher Sprache kündigt eine Firmung an, die am 12. August durch den Wiener Bischof persönlich in den genannten Pfarren gespendet werden sollte. Die Pfarrer werden dazu aufgefordert, diese Sakramentenspendung in ihren Predigten anzukündigen und die zu Firmenden zur vorhergehenden Beichte zu animieren. Insbesondere ältere, noch nicht gefirmte Gemeindemitglieder sollten sich beteiligen. In der zweiten Version wird der Pfarrer von Oberlaa explizit dazu aufgefordert, die notwendigen Vorbereitungen nicht zu behindern.
Das Dokument Nr. 5 (fol. 296rv und 344r) stellt ein Mandat an den Pfarrprovisor in Mauer über die für den 19. August angesetzte Visitation dar. Der in Mauer als Provisor tätige Pfarrer von Hütteldorf wird im Schreiben dazu aufgefordert, sich zum Zeitpunkt der Visitation mit dem Kapellenschlüssel einzufinden und alles für die Besichtigung der Pfarrkirche vorzubereiten. Als Zweck der Visitation wird die Restaurierung des katholischen Glaubens in der Wiener Diözese angegeben, was durch die Überprüfung der letzten noch ausständigen Pfarre von Mauer erreicht werden sollte.
Als zweiter Teil der Akten zur Visitation der Wiener Landpfarren im Jahr 1582 ist ein Interrogatorium überliefert, welches der Visitationskommission als ein Leitfaden während des Besuches der Pfarreien und der Befragung der visitierten Personen dienen sollte (Abb. 2)181. Der Ursprung für derartige Fragenkataloge findet sich bereits im 9. und 10. Jahrhundert im Werk De synodalibus causis des Regino von Prüm, in dem schon
Das vorliegende Interrogatorium ist ebenfalls doppelt im Protokollbuch verzeichnet und erscheint im selben Wortlaut auf fol. 297r–298r und 344r–346r. Die für die einzelnen Pfarren festgehaltenen Antworten entsprechen genau dem vorangestellten Fragenkatalog des Interrogatoriums. Die Existenz des Interrogatoriums ermöglicht somit eine leichtere Nachvollziehbarkeit und Möglichkeit zur Auswertung der im Visitationsprotokoll festgehaltenen Aussagen. Die Fragestellungen des vorliegenden Protokolls sind vier Themenbereichen zugeordnet: 22 Fragen zu den liturgischen und seelsorgerischen Aufgaben des Pfarrers eröffnen das Interrogatorium, hierauf folgen elf Fragen zum Lebenswandel des Pfarrers, 15 zur wirtschaftlichen Gebarung der Pfarre und acht zur Schule und zum Schulmeister.
Der umfangreiche Fragenkatalog zu den Aufgaben des Pfarrers deckt zahlreiche Themen aus seiner liturgischen und seelsorgerischen Arbeit ab: Gefragt wird nach Doktrin und Glauben des Pfarrers (1); ob er in seinen Predigten seine Gemeinde gut instruiert und Sorgfalt in seiner Amtsführung zeigt (2); ob er Kinder und Ungebildete den Katechismus lehrt, insbesondere im Hinblick auf die wichtigsten Gebete (3); welche Bücher er für die Predigten verwendet (4); ob er die Einhaltung der Feste und vorgeschriebenen Fastenzeiten verkündet (5); ob er seine Gemeinde zu Beichte und Kommunion an bestimmten kirchlichen Festen mahnt sowie nach der Spende von Sakramenten an Pfarrfremde (6); nach Besitz und Lektüre der Akten und des Katechismus des tridentinischen Konzils (7); welche Agende er bei Taufen und anderen Sakramenten verwendet (8); nach der Art der Taufzeremonie (9); ob er die heiligen Öle verwendet (10); ob Kinder ungetauft in seiner Pfarre sterben (11); nach der Führung von Tauf- und Ehematriken (12); nach der Krankenseelsorge und rechtzeitigen Spendung der Sakramente an Moribunde (13); nach Art und Ritus der Beichte, der Absolutionsformel und der Auferlegung welcher Bußen (14); ob er die Absolution ohne Kenntnis oder Berücksichtigung der Reservatfälle erteilt (15); nach der Abhaltung von Vespern an Feiertagen, Litaneien und Prozessionen (16); nach
Die Fragen zum Lebenswandel des Pfarrers beziehen sich auf seine regelmäßige Rezitation der Stundengebete (1) und sein Verhalten im Alltag – ob er ein Spieler (2) oder Trinker (3), Streitsucht und Schlägereien zugeneigt ist, flucht (4) oder sonst ein schändliches Leben führt (5). Von Interesse ist ebenso, ob er offen in einem Konkubinat lebt oder verdächtige Frauenkontakte pflegt (6), bei Tanzfesten anwesend (7), der Magie zugetan ist184 (8), kirchliche Fastengebote einhält (9), angemessene Kleidung (10) und Tonsur (11) trägt.
Erfragt werden zudem die Einkünfte der Pfarre aus dem Besitz von Weingärten und Zehenten (1); die Erstellung der Kirchenrechnung und ob der Pfarrer dabei anwesend ist (2, 3); die Benefizien und Pfründen in/an der Pfarrkirche: welche, welche Einkünfte, welche Inhaber, die Erfüllung des Stiftungszwecks (4, 5, 6, 7, 8); der Unterhaltung des Ewigen Lichts (9); das Vorhandensein von Paramenten und Kirchenschmuck und deren Pflege (10); der bauliche Zustand der Kirche (11); die nächtliche Sperre der Kirche und des Friedhofs (12); der respektvolle Umgang der Kirchendiener mit dem Pfarrer (13) und das regelmäßige Glockengeläut sowie das Wetterläuten durch den Mesner (14, 15).
Bei Ausstattung der Pfarre mit einer Pfarrschule wird auch diese einer Prüfung durch die Visitationskommission unterzogen. Die Ermittlung der Identität und konfessionellen Zugehörigkeit des Schulmeisters (1) ist ebenso Gegenstand der Befragung wie seine Pflichterfüllung (2); die katholische Erziehung seiner Schüler, die zu regelmäßigem Gottesdienstbesuch beitragen soll (3); ob er dem Pfarrer in religiösen Belangen widerständig ist (4); die Unterweisung seiner Schüler im katholischen Katechismus (5); ob er anstößige Bücher, Lieder und Verse bei den Schülern erlaubt (6); die Ehrerbietung gegenüber dem Altarsakrament durch die Schüler (7) und mögliches unbotmäßiges Verhalten des Lehrers und der Schüler gegenüber dem Pfarrer und anderen Kirchenpersonen (8).
Das Visitationsprotokoll der Pfarren im Wiener Umland
Das eigentliche Visitationsprotokoll wird auf fol. 346r–359r nach Pfarren gegliedert wiedergegeben185. Die Informationen entsprechen nicht in allen Fällen exakt dem Interrogatorium, sodass die einzelnen Protokolle hinsichtlich ihres Umfangs sich mitunter unterscheiden. Neben den Kirchen- und Schuldienern werden die Pfarrer und Hilfsgeistlichen einer Befragung unterzogen, gelegentlich wird auch weltliches Verwaltungspersonal herangezogen. Die thematischen Schwerpunkte bilden die Liturgie und Seelsorge, die Erziehung der Pfarrkinder, der bauliche Zustand und die Ausstattung der Kirchen sowie die Wirtschaft der Pfarreien.
1. Laxenburg (fol. 346r–347r)
Aus dem Protokoll der als erstes angeführten Pfarre Laxenburg (Abb. 3–5) werden die drei inhaltlichen Schwerpunkte der bischöflichen Visitation des Jahres 1582 ersichtlich: Zum einen galt es zu ermitteln, über welche Ausstattung die Pfarrkirche und etwaige zugehörige Kapellen verfügten und in welchem baulichen Zustand sich die Gebäude befänden, zum anderen sollten die wirtschaftliche Gebarung der Pfarre sowie der Lebenswandel und die Dienstbeflissenheit des Pfarrers durchleuchtet werden. Im Fall Laxenburgs hält die Visitation vom 13. August fest, dass das im Schloss befindliche Kirchengebäude über geweihte Altäre, eine saubere und instand gehaltene Aufbewahrung des Allerheiligsten Altarsakraments sowie über ein Ewiges Licht beim Tabernakel verfüge186. Die heiligen Öle, namentlich das Chrisamöl, welche für die Durchführung katholischer sakramentaler Riten benötigt wurden, seien gut verwahrt. Ein silberner, vergoldeter Kelch sowie zwei bleierne Kelche seien zum Zweck der Eucharistiefeier vorhanden, ein weiteres Gefäß (scyathum) wird explizit für die Durchführung der Kommunion in beiderlei Gestalt bezeichnet. Zudem wurden mehr als zwei Paramente von den Visitatoren registriert. Lediglich den Corporalia, den für die Messfeier benötigten Tüchern, wird Unsauberkeit als Mangel attestiert.
Das Kircheneinkommen schöpfte die Pfarre aus dem Ertrag von zwei Weingärten (11–12 fl. jährlicher Ertrag) sowie aus Grund- und Bodenertrag (30 fl.). Die Kirchenrechnung wurde dem Pfleger oder seinem Abgesandten in Anwesenheit des Pfarrers vorgelegt. Über recht umfangreiche Einkommensquellen verfügte offenbar der Pfarrer, der neben Zehentabgaben (20 Muth) und Grundeinnahmen (12 fl.) auch über ein Bergrecht (60 Urnen) und Erträge aus Wiesen, Äckern und drei Weingärten (16 fl.) verfügte. Aus seinen Einnahmen hatte der Pfarrer das Ewige Licht und den Schulmeister (jährlich 12 fl. und die Kost) zu finanzieren.
Neben dem Schulmeister sind an zusätzlichem Pfarrpersonal ein Müller aus Neusiedl und der Bader Hans Sterer genannt.
Der Pfarrer von Laxenburg, Georg Fuchs, wird entsprechend der Artikel des Interrogatoriums detailliert zu seinen liturgischen und seelsorgerischen Tätigkeiten befragt.
Die Pfarrjugend erziehe er zu frommen Katholiken und verwende katholische Bücher wie die des Johannes Ferus (alias Wild), er besitze jedoch auch ein verbotenes Buch mit protestantischem Inhalt187. Katholische Feste begehe und Fastengebote befolge er, er halte seine Pfarrgemeinde zu Beichte und Kommunion an, Pfarrfremden biete er diese Leistungen nur, wenn sie keinen Pfarrer hätten. Obwohl er weder über die schriftliche Fassung des Tridentinums noch über dessen Katechismus verfüge, erweise er sich in anderen Belangen als durchwegs katholisch: Er bediene sich der Passauer Agende, taufe alle Kinder seiner Pfarre mit den katholischen Taufzeremonien, verwende Chrisamöl und führe Tauf- und Heiratsmatriken. In einigen seelsorgerischen Bereichen weiche er allerdings vom katholischen Ideal ab, insofern er die Absolutionsformel nicht auswendig wisse, sondern aus einem Buch ablese und keine Abstufungen der Schwere der Sünden kenne, also auch nicht wisse, dass von besonders schwerwiegenden Sünden nicht durch ihn selbst, sondern durch eine höhere kirchliche Instanz losgesprochen werden könnte. Hinsichtlich der Liturgie wird festgehalten, dass der Pfarrer keine Vesper lese und Festmessen an besonderen Feiertagen begehe, jedoch zu häufiges Zelebrieren von Messen vermeide, um die Gläubigen nicht vor den Kopf zu stoßen. Andere mit der Liturgie verbundene Gebote halte er ebenfalls ein: Er selbst beherzige das Fastengebot vor den Eucharistiefeiern und zelebriere nach katholischem Ritus und rezitiere den Messkanon submisse; allerdings zelebriere er auch bei den Kranken zu Hause. Das Allerheiligste erneuere er regelmäßig. Als Mangel wird weiters festgehalten, dass er die Corporalia nicht sauber genug halte.
Dieser durchwegs katholisch erscheinende Pfarrer weist, auch wenn er die Stundengebete selten liest, zudem keinerlei schlechte Eigenschaften und Angewohnheiten wie Spiel-, Trunk- oder Streitsucht auf, raufe und fluche nicht und verfolge auch sonst keine Lebensweise, die mit dem Tridentinum unvereinbar wäre. Dafür ist er seit fünf Jahren verheiratet. Er halte sich an die Fastengebote, trage Habit, jedoch keine Tonsur, da er über eine päpstliche Dispens verfüge. Die einzige gröbere Abweichung von der propagierten katholischen Norm stellt die Tatsache dar, dass Georg Fuchs der Sohn seines Vorgängers im Pfarrersamt in Laxenburg sei. Bei der Konstellation vom Pfarrerssohn, der die Pfarrei seines Vaters übernimmt, handelt es sich um ein häufiges Phänomen in der katholischen Kirche, die sich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in einer Übergangsphase befand, in welcher die Regeln des Tridentinums noch nicht vollständig etabliert waren.
2. Perchtoldsdorf (fol. 347r–348r)
In der am 8. August erfolgten Visitation der Pfarre Perchtoldsdorf (Abb. 5) war der Rat der Gemeinde die erste Anlaufstelle für die Visitatoren, die Informationen über die wirtschaftliche Gebarung sowie die liturgische und seelsorgerische Arbeit des Pfarrers einholten188. Laut den Ausführungen des Protokolls nahm der Rat eine zentrale Rolle in
Hinsichtlich der Kirchenausstattung wird lediglich die Existenz des Ewigen Lichts genannt. Der Schwerpunkt des Protokolls liegt in der Befragung des Pfarrers Jakob Dorr, die am 16. August 1582 in der bischöflichen Residenz in Wien stattfand. Seinen eigenen Angaben zufolge wäre er bereits seit 29 Jahren Priester und dem katholischen Glauben und der katholischen Lehre verpflichtet, was auch vom Rat bestätigt worden wäre. Er lege Zuverlässigkeit in seinem Amt an den Tag, führe seine Predigten durch, verwende katholische Bücher, namentlich Werke des Wild, Schopperus und Nausea, den katholischen Katechismus des Canisius sowie die schriftliche Fassung des Tridentinums und den zugehörigen Katechismus189.
Im Gegensatz zu seiner Pfarrgemeinde, die trotz seiner Ermahnungen Fleisch auch am Freitag konsumiere, halte er sich an die Fastengebote, insbesondere auch vor den Eucharistiefeiern. Jakob Dorr rege die Pfarrgemeinde zu Beichte und Kommunion an und habe zwischen Ostern und Pfingsten des Jahres 1582 1.200 Kommunikanten, davon 200 sub una specie, bedient. Er verwende Passauer Agenden und zusammen mit seinem Kaplan auch das Passauer Brevier, pflege den katholischen Taufritus, taufe alle Kinder in der Pfarre, widme sich der Krankenseelsorge und mache auch von den heiligen Ölen Gebrauch. Die Vesper halte er dreimal die Woche ab, lese die Bußpsalmen und zelebriere die Messe an Feiertagen und Freitagen nach katholischem Ritus und mit der vorgeschriebenen leisen Rezitation des Messkanons und erneuere das Allerheiligste jeden Monat. Obwohl seine Pfarrgemeinde dies vernachlässige, kümmere er sich um die Sauberkeit der liturgischen Geräte. Insgesamt lege er einen lauteren Lebenswandel an den Tag und sei weder als Schläger, Trinker oder Streitsüchtiger bekannt, wende keine magischen Praktiken an und trage den vorgesehenen Habit, jedoch keine Tonsur.
Als Negativa werden vermerkt, dass der Pfarrer die Absolution in deutscher Sprache erteile, keine Matrikenbücher führe und die Abstufungen der Schwere der Sünden und insbesondere diejenigen Sünden nicht kenne, von denen nur der Papst lossprechen könne. Die laut den genannten Zahlen der Kommunikanten übliche Praxis der Kommunion sub utraque specie wird durch die Information gestützt, wonach Gläubige, falls zu wenig Wein konsekriert wurde, auch noch am Tag danach den fehlenden Teil der Kommunion empfangen könnten. Der Pfarrer sei außerdem mit einer fünfzigjährigen Frau verheiratet und
Als weiteres Personal in der Pfarre sind ein Schulmeister sowie ein Kaplan aus der Krain genannt. Letzterer verfüge lediglich über geringe Deutschkenntnisse und sei daher für Predigten nicht einsetzbar.
3. Brunn (fol. 348r–349r)
Im Zuge der Visitation der Pfarre Brunn am 8. August werden zunächst Informationen bezüglich der Mängel der Kirchenausstattung festgehalten: Der Hochaltar sei teils aus Holz, der Hostienbehälter von Ungeziefer befallen, die Schlüssel zum Tabernakel besitze unerlaubterweise der Mesner, ein Ewiges Licht sei nicht vorhanden, jedoch werde man sich darum kümmern, außerdem fehle ein Corporale für den Messkelch. Weiters wird versucht, die finanziellen Verhältnisse der Pfarre zu ermitteln, das exakte Kircheneinkommen sei dem Pfarrer allerdings unbekannt. Die Kirchenrechnung werde in Anwesenheit zweier Ratsbürger aus Mödling und in Abwesenheit des Pfarrers vorgelegt. Das Einkommen des Pfarrers setze sich aus Zehenten, etwa 20 Viertel Weingärten, Stolgebühren, 40 fl. Handgeld und anderen zusätzlichen Einnahmen zusammen. Die Richter können keine Angaben über etwaige Benefizien machen, würden aber nach entsprechenden Erkundigungen den Bischof darüber in Kenntnis setzen.
Zusätzlich zur Befragung des Pfarrers Leonhard Griffius in der bischöflichen Residenz, die am 16. August erfolgte, gab auch der Richter der Gemeinde über die Lebens- und Arbeitsweise des Pfarrers Auskunft. Demnach sei der Pfarrer der katholischen Lehre und dem katholischen Glauben verpflichtet, lege Sorgfalt im Amt an den Tag, verwende Werke der katholischen Autoren Ferus, Fabri, Nausea und Feuchtius und halte sich an die Fastengebote, auch vor der Eucharistiefeier190. Katechismus halte er nur in der Fastenzeit ab, motiviere die Pfarrgemeinde zu Beichte und Kommunion, zu Ostern kommuniziere die ganze Gemeinde in beiderlei Gestalt, an anderen Feiertagen, etwa zu Pfingsten und Weihnachten, nur wenige. Der Pfarrer verfüge weder über Matrikenbücher noch über die schriftliche Fassung des Tridentinums, jedoch über den entsprechenden Katechismus. Er verwende die Passauer Agende, die vorgeschriebenen Heiligen Öle und pflege die katholischen Taufzeremonien und achte darauf, dass keine Kinder ungetauft in seiner Pfarre sterben. Der Vollzug der Krankenseelsorge mit Beichte und Kommunion gehörte ebenso zu seinem Dienstverständnis wie die Durchführung der katholischen Beichte mit anschließender Absolution. Er kenne die Abstufungen der Sünden, leiste die ihm aufgetragenen liturgischen Dienste zur vollen Zufriedenheit und halte Messfeiern an einzelnen Feiertagen ab.
Er verwende das Passauer Brevier und rezitiere zumindest die Stundengebete und den Psalm Miserere. An die Fastenvorschriften halte er sich nicht, sondern konsumiere wegen
Sein Lebenswandel entspreche katholischen Vorstellungen und sei laut dem Richter für die Gemeinde in jeder Hinsicht zufriedenstellend, er verfüge über keine schlechten Eigenschaften und betreibe auch keine magischen Praktiken. Er sei nicht verheiratet, seine Haushälterin, die bereits acht Jahre lang für ihn tätig sei, sei älter und lebe ohne Verdacht bei ihm. Er trage Habit, jedoch keine Tonsur, da er Gefahren fürchte.
Der Schulmeister Christoph Isperer verwende nach eigenen Aussagen keinen Katechismus, erbringe aber zufriedenstellende Leistungen im Schuldienst. Kaplan Matthias Stainer, der ebenfalls befragt wird, sei seit vier Jahren angestellt, predige an Feiertagen, jedoch nicht an Samstagen, sei verheiratet, verwende Werke des Ferus, Brontius und Huberinus sowie das Passauer Brevier, halte sich an die Fastengebote und zelebriere das Hochamt an Feiertagen. Von der Gemeinde erhalte er 8 fl. monatlich, kenne die Absolutionsformel und habe keine Tonsur.
4. Atzgersdorf (fol. 349r–350r)
Sebastianus de S. Benedicto, der Pfarrer von Atzgersdorf, wird am 16. August am bischöflichen Hof zu seiner Pfarre, seinen liturgischen und seelsorgerischen Tätigkeiten sowie seinem Lebenswandel befragt. Seinen Angaben zufolge verfüge die Pfarre Atzgersdorf über sieben Filialkirchen, namentlich Mauer191, Kalksburg, Hetzendorf (ohne Kapelle), Altmannsdorf (mit Kapelle, jedoch nicht geschmückt), Erlaa (ohne Kapelle), Ober- und Unterliesing (Unterliesing mit Kirche, jedoch nicht geschmückt). Die Ausstattung der Pfarrkirche von Atzgersdorf wies laut Visitationsprotokoll eine Reihe von Mängeln auf: Die Altäre seien nicht geweiht, der Priester zelebriere über einem steinernen Tragaltar, es gäbe kein Ewiges Licht, die heiligen Öle würden nicht im Ziborium aufbewahrt und der Hostienbehälter für die Krankenkommunion fehle. Jegliche Angaben zur pfarrlichen Wirtschaft fehlen im Protokoll.
Nach eigenen Angaben sei der Pfarrer von einem Lutheraner zum Priester geweiht worden, vertrete aber die katholische Lehre und den katholischen Glauben und lege Zuverlässigkeit in seinem Amt an den Tag. Er gebe Katechismusunterricht und verwende katholische Bücher, befolge die Fastengebote auch vor der Eucharistiefeier und halte die Pfarrgemeinde zu Beichte und Kommunion an. Über die weiteren liturgischen Leistungen und den Lebenswandel des Pfarrers wird ähnlich wie auch bei seinen Kollegen in den Nachbarpfarren ein ambivalentes Bild gezeichnet: Er pflege die katholischen Taufriten und Agenden, taufe alle Kinder seiner Pfarre und leiste die geforderte Krankenseelsorge, verfüge jedoch weder über das Tridentinum noch den zugehörigen Katechismus, noch führe er Pfarrmatriken, er kenne die Absolutionsformel nicht, auch nicht die verschiedenen Sündenkategorien. Außerdem spende er Sakramente an Pfarrzugehörige von Vösen-
Der Pfarrer wird auch über seinen Schulmeister Matthias Kemmeter, einen Bayern aus Indersdorf, befragt. Dieser verwende laut Angaben des Pfarrers trotz Verbots den lutherischen Katechismus, halte seinen Unterricht auf Deutsch ab, habe aber keine Aktionen gegen ihn betrieben, sei jedoch auch nie direkt an ihn herangetreten. Der Lehrer lasse seine 40 Schüler vor und nach dem Unterricht das Lied Gib Frieden, Herr! singen und habe sich dem Pfarrer zufolge nie bei ihm erkundigt, welche Lieder gesungen werden müssten. Der Lehrer habe seinerseits dem Pfarrer gegenüber Treue versichert und seinen ehrenvollen Umgang mit dem Altarsakrament. Er sei bereits sieben Jahre verheiratet; sein Hilfslehrer sei katholisch. Wie dem Visitationsprotokoll und dem Schlussdekret zu entnehmen ist, wurde der Schulmeister von Atzgersdorf aufgrund seiner Erklärungen als lutherisch eingestuft und in Gewahrsam genommen.
5. Die Kapelle in Mauer (fol. 350r)
Das zur Pfarre und Grundherrschaft Atzgersdorf gehörige Schloss Mauer verfügte über zwei Kapellen, die St. Andreas- und die St. Erhard-Kapelle. In der Kapelle des Hl. Erhard, die gleichzeitig als Gemeindekirche von Mauer diene, verrichte derzeit der Pfarrer von Hütteldorf, der dort auch seine Priesterweihe erhalten hätte, die sonntäglichen Gottesdienste. Bis in die Zeit des Grafen von Lodron hätten die Messfeiern immer freitags in der St. Andreas-Kapelle stattgefunden, was durch das St. Andreas-Benefizium finanziert worden wäre. Zum Zeitpunkt der Visitation sei die St. Andreas-Kapelle nicht geweiht gewesen, dort habe sich auch ein nun unauffindbarer Kelch des Benefiziums befunden, der derzeit im Besitz des Pfarrers sein soll. Dass der in Mauer mit den liturgischen Aufgaben und mit der Seelsorge betraute Pfarrer von Hütteldorf nicht über die vollständigen Rechte eines Gemeindepfarrers verfügte, ist aus der Aussage herauszulesen, wonach dieser nicht berechtigt sei, Salz und Wasser zu segnen. Die spärlichen Angaben, die im Visitationsprotokoll über die Liturgie und Seelsorge in Mauer zu finden sind, sprechen von der Existenz eines Messbuchs der Eremitenbrüder, eines weiteren unvollständigen Messbuchs sowie eines Paraments.
Hinsichtlich der Wirtschaft wird festgehalten, dass die Kirchenrechnung dem Richter und der Gemeinde in Anwesenheit des Pflegers gelegt wird. Das Kircheneinkommen speise sich aus den Erträgen zweier Weingärten und weiteren Einnahmen aus Grund und Boden. Betreffend die Ausgaben der Kirche werden lediglich 3 fl. genannt, die der Mesner jährlich empfange. Wieviel die Konduktoren bezahlt bekämen, wisse der Mesner nicht. Angaben zur liturgischen und seelsorgerischen Arbeit sowie zum Lebenswandel des Pfarrers fehlen gänzlich.
6. (Ober-)Laa (fol. 360v–351r)
Der Pfarrer von Oberlaa, Jacobus de Anima, wurde am 16. August am bischöflichen Hof in Wien zu seiner Arbeit in seiner Gemeinde sowie zu seinem Lebenswandel befragt. Ihm selbst zufolge pflege er die katholische Lehre und den katholischen Glauben ganz im Sinne der Erziehung, die er genossen hätte. Er predige unentwegt, was durch den Richter und die Verordneten der Gemeinde Oberlaa bestätigt werde. Er suche ohne die Heranziehung eines Katechismus die Jugend zu instruieren, besitze weder Aufzeichnungen oder Katechismus des Tridentinums, verwende jedoch durchwegs katholische Bücher. Er verkündige die katholischen Fastengebote, die er auch selbst einhalte, und suche seine Gemeinde von der regelmäßigen Beichte und Kommunion zu überzeugen, bediene sich der Passauer Agende und katholischer Taufzeremonien und taufe alle Kinder in seiner Pfarre. Er verwende keine Heiligen Öle, kümmere sich jedoch um die Krankenseelsorge und führe Matrikenbücher. Im Rahmen der nur gelegentlich abgenommenen Beichte verwende er die katholische Absolutionsformel und erlege nach katholischer Art Bußen auf; über Reservatfälle wisse er nicht Bescheid. Die heilige Messe lese er dreimal die Woche nach katholischem Ritus, rezitiere den Messkanon jedoch laut. Auch zelebriert er nicht nüchtern. Er erneuere die Gestalt des Allerheiligsten Altarsakraments alle 14 Tage, halte die liturgischen Geräte sauber und spende den Laienkelch. Bei zu wenig für die Kelchkommunion vorbereitetem Wein gieße er nach, da er dies bei anderen katholischen Priestern so beobachtet habe. Zwei Mitglieder seiner Pfarrgemeinde liefen in andere Pfarren aus. Was er an weiteren liturgischen Diensten noch nicht leiste, verspricht er in Zukunft zu erfüllen. Die Lebensweise des Pfarrers wird als weitgehend positiv eingeschätzt, er verfüge über keine negativen Charaktereigenschaften, pflege keine magischen Praktiken oder Aberglauben und trage Habit. Dem Stundengebet widme er sich jedoch nur gelegentlich, trage keine Tonsur, habe mit Erlaubnis des Dekans vor sieben Jahren geheiratet und sei Vater eines Kindes. Aufs Ganze gesehen bestätigen der Richter und die Verordneten der Gemeinde die Zuverlässigkeit des Pfarrers.
Die Ausstattung der Kirche in Oberlaa umfasste laut Protokoll vier Messbücher und drei Kelche, davon zwei silberne und einen bronzenen. Die Altäre seien nicht geweiht, der Priester zelebriere auf einem steinernen Tragaltar, das Ewige Licht fehle, Richter und Gemeindevorsteher würden sich aber um eine Verbesserung kümmern. An weiteren Mängeln werden verschmutzte Kelche und fehlende Reinigungstücher, fleckige Paramente und ein unversperrtes Baptisterium genannt, wovon der Richter und die Gemeindeverordneten nach eigenen Angaben keine Kenntnis gehabt hätten. Als liturgische Besonderheit wird vermerkt, dass das Credo gesungen werde.
Wirtschaftlich schöpfe die Pfarre aus den Erträgen von fünf Vierteln Weingärten und 29 Tagwerk Wiesen und habe ihrerseits 50 fl. an den Bader zu bezahlen.
7. Hennersdorf und Leopoldsdorf (fol. 351r–351v)
Die Beschäftigung mit der Pfarre Hennersdorf und Leopoldsdorf, die 32 Häuser und etwa 100 Kommunikanten umfasste, erfolgte durch die Visitation am 13. August und durch die Befragung des Pfarrers Anton Nell am bischöflichen Hof in Wien am 16. August. Nach eigenen Angaben hänge der Pfarrer, der bereits 13 Jahre lang die Pfarren betreue, der katholischen Lehre und dem katholischen Glauben an und erfülle alle seine Amtspflichten zur vollen Zufriedenheit. Den katholischen Glaubensunterricht führe er
Die Stundengebete führe er mit Salzburger Brevieren durch und weise keinerlei schlechte Charaktereigenschaften auf bis auf gelegentliche Streitereien mit den Pfarrbewohnern; auch nehme er an weltlichen Festen teil. Die katholischen Fastenregeln halte er ein, trage Klerikerkleidung und in der Vergangenheit öfters auch Tonsur. Er sei mittlerweile zum zweiten Mal verheiratet.
Die Ausstattung der Kirche umfasste dem Protokoll zufolge einen geweihten Hochaltar und einige weitere, nicht geweihte Altäre. Eine Reihe von Unzulänglichkeiten wird genannt: das gänzliche Fehlen eines Allerheiligsten Altarsakraments sowohl in Hennersdorf als auch in Leopoldsdorf, die Vernachlässigung des Ewigen Lichts, ein schmutziger und immer noch vom Wein feuchter Kelch, das Fehlen von Messbüchern und Corporalia, ein verschmutztes Parament und das wasserlose Taufbecken.
Die Kirchenrechnung werde Hieronymus Beck oder seinem Vertreter in Anwesenheit des Pfarrers vorgelegt. Die Kirche besitze mehrere Weingärten, aus denen sie jährlich 30 fl. lukriere, die Einträge aus Grund und Boden betrügen zwischen 30 und 40 fl., außerdem seien 12 Tagwerk Wiesen zu je 20 Kreuzer und 15 Joch Äcker zu je 20 Metzen Ertrag vorhanden. Der Pfarrer erhalte wöchentlich 12 ß. und beziehe sein Einkommen zudem aus einem Tagwerk Wiesmahd, jährlich 2 fl. Stolgebühren und 15 kr. aus Kinderbegräbnissen. Laut Angaben der Zechmeister hebe der Pfarrer mit 12 ß. von einem Erwachsenen und 35 kr. von einem Kind zu hohe Gebühren für Begräbnisse ein.
8. St. Marx (fol. 352r–352v)
Laut eigenen Angaben des Pfarrers Johannes Wesperger, die er am 16. August am bischöflichen Hof zu Wien machte, sei er katholisch in Glauben und Lehre und erfülle seine Pflichten zur Zufriedenheit. Er pflege den katholischen Katechismus, verwende die Postillen des Topiarius193 und Ferus, propagiere die Einhaltung der Fastenregeln und mahne zur Beichte und Kommunion an Festtagen. Er verfüge weder über die schriftliche Ausführung zum Tridentinum noch über dessen Katechismus, verwende dafür aber die Salzburger Agende. Er halte sich an die katholischen Taufzeremonien, verwende die heiligen Öle,
Die Stundengebete rezitiere er mit dem Passauer Brevier, habe keine negativen Angewohnheiten in seinem Lebenswandel und pflege auch keine magischen Praktiken. Zudem sei er ledig, trage Habit, jedoch keine Tonsur.
Die Kirche habe zwei Kelche, keine geweihten Altäre, trotzdem werde zelebriert; es fehle das Ewige Licht, und die Hostien seien von Ungeziefer zerfressen. Angaben zum wirtschaftlichen Gebaren finden sich im Visitationsprotokoll zur Pfarre St. Marx nicht.
9. Simmering (fol. 352v)
Die Visitation der Pfarre Simmering am 13. August stellte die Vakanz der Pfarrerstelle fest. Der Pfarrer, der bereits seit sechs Jahren seine Dienste in Simmering versehen hätte, sei vor drei Wochen abgetreten. Gleichzeitig wird der schon aus St. Marx bekannte Johannes Wesperger als Pfarrer genannt. Die Vakanz der Pfarre äußert sich in der Vernachlässigung des Kirchengebäudes: Das Dach sei defekt, solle jedoch ausgebessert werden, die vier Altäre seien nicht geweiht, verwendet werde stattdessen ein steinerner Tragaltar. Das Allerheiligste Altarsakrament und die Öle seien gut verwahrt, das Ewige Licht sei nicht entzündet, aber bereit, zwei Kelche seien vorhanden, ein silberner und einer aus Zinn, das Taufbecken mit Wasser gefüllt.
Die Aufforderung, die Kirchenrechnung der Gemeinde vorzulegen, spiegelt die generell schlechte Pfarrorganisation. Die Pfarre verfüge über neuneinhalb Viertel Weingärten, unbestimmte Erträge aus Grund und Boden, 29 Tagwerk Wiesmahd, 41 Joch an Äckern und laut eines ins Treffen geführten kaiserlichen Dekrets über zusätzlich 20 Talente, welche der Vizedom jedoch noch nicht angewiesen habe. Aus ihren Einkünften bezahle die Kirche 100 fl. jährlich an den Pfarrer, zurzeit seien die Zahlungen aufgrund der Vakanz aber ausgesetzt. Als Person mit Grundbesitz an der Kirche wird "der Eyslerische" genannt.
Aufgrund der Vakanz der Pfarre finden sich weder Angaben zur liturgischen und seelsorgerischen Tätigkeit noch zur Lebensweise des Pfarrers.
10. Penzing (fol. 353r–353v)
Die Befragung des Pfarrers Joachim Werman am bischöflichen Hof in Wien am 16. August ergab folgende Informationen bezüglich seiner liturgischen und seelsorgerischen Tätigkeit: Der seit fünf Jahren in der Pfarre Penzing tätige Joachim Werman habe die Priesterweihe vom Wiener Bischof erhalten und habe außerdem die Pfarren Baumgarten, Lainz, Speising, Meidling, Breitensee und Hacking zu betreuen. Er hänge der katholischen Lehre und dem katholischen Glauben an und sei zuverlässig in seiner Amtsausübung, was von den Zechleuten bestätigt wird. Katechismusunterricht gebe er für die Jugend in der Fastenzeit, halte Predigten ab und verwende katholische Literatur und die Passauer Agende, nicht jedoch das Tridentinum und dessen Katechismus. Er verkündige seiner Gemeinde die Fastenvorschriften, halte sich selbst daran, auch vor den Eucharis-
Dem Protokoll sind auch Informationen über die Pfarrverwaltung in Penzing zu entnehmen: Demnach gäbe es mehrere Zechleute, einen Schulmeister und den Vizedom als Vogtobrigkeit. Hinsichtlich der Kirchenausstattung werden der schöne Schmuck der Kirche und die geweihten Altäre genannt, lediglich die lose Aufhängung der Aufbewahrung für das Allerheiligste Altarsakrament wird bemängelt, ebenso wie die Verwahrung der heiligen Öle im Pfarrhaus. Die Pfarrkirche verfüge über zwei Messkelche, einen silbernen und einen bronzenen, ein Kelchtüchlein fehle allerdings und die Corporalia seien dünn und verschmutzt, Paramente jedoch ausreichend vorhanden. Dass auch in dieser Pfarre der Laienkelch gereicht wird, bestätigt das Vorhandensein eines Kruges zur Aufbewahrung des Messweins.
Als wirtschaftliche Einkommensquelle der Kirche werden einige Weingärten genannt. Die Vorlegung der Kirchenrechnung geschähe in Anwesenheit des Pfarrers. Der Pfarrer selbst erhalte jährlich 3 ß. an direkten Zahlungen und Naturalabgaben und verfüge insgesamt über 90 fl. Gelegentliche Einnahmen beziehe er außerdem aus der Weinlese und aus der Bebauung von etwa drei Vierteln Weingärten, die 24 fl. Ertrag einbrächten. Ebenso etwa 24 fl. erhalte er durch Stolgebühren, da er 3 ß. für Begräbnisse und 4 d. für Kindertaufen nähme.
Informationen werden auch zum Schulmeister gegeben: Der bereits seit vier Jahren in der Pfarre Penzing tätige Lehrer erhalte 5 fl. "von der uhr"194, außerdem vierteljährlich 15 kr. Schulgeld von seinen Schülern, 17 Urnen aus der Sammlung sowie einen eigenen Sold von der Gemeinde. Für den Unterricht seiner ungefähr 20 Schüler verwende er den Katechismus des Canisius.
11. Baumgarten (fol. 353v–354r)
Die ebenfalls von Pfarrer Joachim Werman betreute Pfarre Baumgarten hatte verschiedene Grundherren: den Abt des bayerischen Klosters Vornbach mit 22 Untertanen, das Wiener Bürgerspital mit vier und den Kaiser mit 26. Wenige weitere Angaben werden zur Pfarre gemacht: Die Kirche selbst sei kahl, verfüge über drei nicht geweihte Altäre und
12. Ottakring (fol. 354r–354v)
Hinsichtlich der grundherrschaftlichen Verhältnisse in der Pfarre Ottakring hält das Protokoll fest, dass die meisten Personen dem Propst von Klosterneuburg untertan seien sowie 14 dem Johann Philipp Brassicanus. Die Pfarre verfüge über zwei Gotteshäuser, die Pfarrkirche St. Lambert (Alt-Ottakring) und die Kapelle St. Wolfgang, welche vom Passauer Bischof geweiht worden wäre.
Der Pfarrer von Ottakring, Johannes Mainer, wurde am 16. August am bischöflichen Hof in Wien zu seinem Amtsverständnis und seinem Lebenswandel befragt. Ihm selbst zufolge sei er seit dem Jahr 1569 in dieser Pfarre tätig und folge der katholischen Lehre und dem katholischen Glauben. Er lege Zuverlässigkeit im Amt an den Tag und erfülle alles zur allgemeinen Zufriedenheit. Kritik an ihm gäbe es, weil er zusätzliche Benefizien in Wien innehabe; er solle ermahnt werden, sich nach Erledigung seiner dortigen Gottesdienstpflichten rascher nach Hause zu begeben und sich emsiger seiner Pfarrgemeinde und der Seelsorge zu widmen. Nach eigenen Angaben führe der Pfarrer katholischen Glaubensunterricht durch, verwende katholische Bücher für die Predigt, die Salzburger Agende und den tridentinischen Katechismus, halte sich an die katholischen Fastenzeiten und Feiertage und propagiere diese auch in seiner Gemeinde. Zudem befolge er auch das Fastengebot vor der Eucharistiefeier und halte die Pfarrgemeinde zur Beichte und Kommunion an wichtigen Festtagen an. An Sonntagen predige er in St. Lambert (Alt-Ottakring), an anderen Tagen in der Kapelle St. Wolfgang. Er achte auf den korrekten Ablauf der Taufzeremonien nach katholischem Ritus, taufe alle Kinder seiner Pfarre und verwende die vorgeschriebenen heiligen Öle. Taufbuch führe er keines, dafür aber eine Heiratsmatrik. Er betreibe Krankenseelsorge, verwende die korrekte Absolutionsformel und Auferlegung von Bußen und kenne die unterschiedlichen Abstufungen bei den Sünden. Messfeiern halte er zweimal die Woche und zusätzliche Messen an einzelnen Festtagen, viermal im Jahr Vespergebete sowie an Philippi und Jacobi Litaneien. Außerdem führe er Prozessionen in andere Pfarren durch. Den Messkanon lese er korrekt und leise. Die meisten Personen, nämlich bislang 99 in diesem Jahr, kommunizierten sub utraque, lediglich neun sub una specie. Er erneuere das Allerheiligste an einzelnen Tagen, ebenso achte er auf die Reinigung der liturgischen Geräte. Er halte die Stundengebete ab, pflege einen lauteren Lebenswandel, hänge keiner Magie an, trage Habit und Tonsur und habe eine Konkubine.
Im Zuge der Pfarrvisitation wurde ein allgemein guter Zustand der Pfarrkirche St. Lambert festgestellt. Diese sei gut geschmückt, verfüge über drei, dem Anschein nach geweihte Altäre, zwei davon jedoch ohne Paramente. Das Allerheiligste Altarsakrament sei gut im Ziborium verwahrt, außerdem seien eine silberne, vergoldete Kapsel, zwei silberne Kelche, Paramente und Messbücher vorgefunden worden.
Die Pfarrwirtschaft speise sich aus 14 Viertel Weingärten, die von den Zechmeistern verwaltet würden, und vier Wiesmahd, wovon 10 fl. Ertrag abfielen. Ein gewisser Wolfgang Bauer spende zu bestimmten Jahrestagen Benefizien, wie im Missale des Pfarrers vermerkt sei. Es gäbe noch weitere Personen mit Benefizien, die diese noch schriftlich anzeigen würden. Die Ausgaben für den Kirchenbau umfassten jährlich über 50 fl. Das Einkommen des Pfarrers, das aus den 14 Vierteln Weingärten der Pfarre bestritten werde,
13. Mödling (fol. 354v–355v)
In der Pfarre Mödling sind neben dem Pfarrer Christoph Benedikt der Kaplan Augustin Angermayr, der Schulmeister Bartholomäus Parstaller, Richter und Rat sowie Mesner und weitere Kirchendiener belegt.
Das Kirchengebäude in Mödling sei vernachlässigt, nachts jedoch verschlossen, auch der Friedhof sei nachts versperrt. Paramente würden vom Pfarrer instandgehalten, für Festtage fehlten Graduale und Antiphonar. Das Kircheneinkommen erhalte der Rat von Mödling, es sei aber unklar, wer die Kirchenrechnung bekäme. Es existierten Urkunden zu Kirchenbezügen und -benefizien, welche dem Bischof vorgelegt werden sollten. Laut Angaben des Pfarrers wären in der Vergangenheit Benefizien vorhanden gewesen, in seiner Kindheit wären durch Benefizien drei Priester unterhalten worden. Als Einkommen erhalte der Pfarrer von den Mödlingern 200 fl. jährlich, wovon er 80 fl. für den Unterhalt des Kaplans aufwände.
In seiner Befragung am 8. August in der bischöflichen Residenz in Wien bestätigt der Pfarrer Christoph Benedikt sein durch und durch katholisches Amtsverständnis und seine katholische Lebensweise. Seine katholische Lehre und sein katholischer Glauben seien laut dem Mödlinger Richter gänzlich zufriedenstellend, er pflege den katholischen Katechismus, besitze einen solchen auch in schriftlicher Form und unterrichte die Schüler gemäß diesem. Für seine Predigten verwende er katholische Literatur, außerdem besitze er eine Schrift des Wild und die Passauer Agende zur Ausführung der sakralmentalen Riten. Über das Tridentinum und dessen Katechismus verfüge er jedoch nicht. Er propagiere die Einhaltung der Fastengebote und halte die Pfarrgemeinde zur Beichte und zur Kommunion an wichtigen Festtagen an, auch selbst halte er sich an die Fastengebote, auch vor der Eucharistiefeier. Ebenfalls katholisch erweise er sich in den Taufzeremonien, der Verwendung heiliger Öle und der Taufe sämtlicher Kinder seiner Pfarre. Er führe lediglich eine Heiratsmatrik und kein Taufbuch, Krankenseelsorge betreibe er nicht, dafür aber die Beichte mit katholischer Absolutionsformel, die Unterschiede bei den Sünden kenne er nicht. Es erfolge keine Vernachlässigung der liturgischen Dienste, Messfeiern würden ein- bis dreimal die Woche nach katholischem Ritus stattfinden. Fast alle Pfarrangehörigen kommunizierten sub utraque specie, übrig gebliebenen Messwein bewahre er in einem Kelch auf, wenn er zu wenig vorbereitet habe, lasse er die Leute am nächsten Tag wiederkommen. Er erneuere die Gestalt des Allerheiligsten und lasse viermal pro Jahr die Corporalia von den Franziskanern reinigen. Das Stundengebet lese er nicht. Weder negative persönliche Eigenschaften, noch magische Praktiken oder Aberglaube werden beim Pfarrer beobachtet. Er habe eine Ehefrau, trage Habit und Tonsur.
Auch der Kaplan bekennt sich zur katholischen Lehre, sei durch den Passauer Bischof geweiht worden, hätte in der Vergangenheit eine Lebensgefährtin gehabt, mit der er zwei Kinder habe. Sein Gehalt von 80 fl. bekäme er vom Pfarrer.
Der Schulmeister Bartholomäus Parstaller ebenso wie dessen Vertreter seien ebenfalls von katholischer Konfession. Der bereits seit 21 Jahren als Lehrer tätige Parstaller erhalte 50 fl. Gehalt, arbeite nach katholischen Prinzipien, vernachlässige seinen Dienst nicht und rege die Schüler zur Pflege des katholischen Glaubens an, wenngleich er keinen ka-
Auch der Mesner und die anderen Kirchendiener äußern sich positiv über den Pfarrer. Der Mesner selbst komme seinen Pflichten nach und schlage die Glocken zu den notwendigen Tageszeiten sowie als Warnung vor Unwettern.
14. Währing (fol. 355v–356r)
Bei der am 10. August erfolgten Visitation der Pfarre Währing wurden insbesondere Informationen zur Ausstattung der Kirche, die wirtschaftliche Gebarung und die grundherrschaftlichen Verhältnisse festgehalten. Am Kircheninventar wurden zahlreiche Mängel bemerkt: Der Altar sei nicht geweiht, der Tragaltar wegen Fehlens von Reliquien nicht korrekt ausgestattet, Hostien seien von Ungeziefer zerfressen, die Kirche verfüge über kein Ewiges Licht, keine heiligen Öle für die Krankensalbung und auch keine Gefäße dafür. Der Kelch sei am Boden zerbrochen, das Baptisterium nicht geweiht und das Pfarrhaus mangelhaft. Die Unzulänglichkeiten spiegeln sich auch im Auslaufen von Pfarrzugehörigen in Wiener Pfarren und im Bestreben, Währinger Kinder in Wien taufen zu lassen.
Ein Pfarrer wird weder genannt noch befragt, jedoch werden als sein Einkommen 50 bzw. 60 fl. angeführt sowie weitere Einkünfte aus dem Hausbesitz der Pfarre, aus welchem er etwa 0,5 fl. je Haus beziehe. Die Pfarre verfüge laut Visitationsprotokoll über vier pfarrliche Landgüter, nämlich Weinhaus mit 38 Häusern, Währing mit 42, Gersthof mit 13 und Pötzleinsdorf mit 16, außerdem über zwei Weingärten. Der Pfarrer sei bei der Auslegung der Kirchenrechnung anwesend. Die grundherrschaftlichen Verhältnisse in Währing scheinen insofern komplexer, als neben der Pfarre, die in Besitz der vier genannten Landgüter war, auch andere Grundherren aufscheinen: der Abt der Benediktinerabtei Michaelbeuern in Salzburg und der Erzbischof von Salzburg verfügten beide über jeweils 14 Untertanen, ein gewisser Reiner über 13, der Propst des Augustiner-Chorherrenstifts St. Dorothea in Wien über 13 und der Pfarrer von Hütteldorf über 38. Der Abt von Michaelbeuern verfüge zudem über das Bergrecht.
15. Oberdöbling (fol. 356r‒v)195
Die Visitation der Pfarre St. Philipp in Oberdöbling erfolgte ebenfalls am 10. August. Es werden keine Angaben zum Pfarrer gemacht, da die Pfarre zum Zeitpunkt der Visitation vakant ist. Als Grundherrin in Oberdöbling wird die Äbtissin von Tulln genannt. Die prekäre seelsorgerische Situation in der Pfarre manifestiert sich im Vermerk, dass die Oberdöblinger Schüler aufgrund des Fehlens eines Pfarrers die Schule in Heiligenstadt
Die Pfarre Oberdöbling habe im Jahr 1581 89 fl. und einige Kreuzer erwirtschaftet und beziehe ihre Einkünfte auch aus fünf Vierteln Weingärten. Das Einkommen des Pfarrers speise sich unter anderem aus einer Sammlung.
Die Kirchenausstattung erscheint mangelhaft, die Altäre seien nicht geweiht, stattdessen werde ein steinerner Tragaltar verwendet, das Allerheiligste Altarsakrament fehle gänzlich. Dennoch seien auf Veranlassung eines gewissen Herrn Flascher Renovierungsarbeiten am Kirchengebäude vorgenommen worden: Turm, Mauer und Innenbereich seien von ihm um 100 fl. ausgebessert worden, wofür ihm die Pfarre ein Fass Weins überlassen hätte, an dessen Erlös er die Pfarre wiederum beteiligt hätte.
16. Lanzendorf (fol. 356v)
Die Visitation der Pfarre Lanzendorf am 12. August brachte nur einige wenige Informationen zum allgemeinen Zustand des Kirchengebäudes und Inventars sowie zur Pfarrwirtschaft. Demnach sei das Kirchendach defekt, die vier Altäre profaniert und nicht geweiht und das Taufbecken beschädigt und leer. Die Einkommensgrundlage der Pfarre und des Pfarrers bildeten jeweils zwei Weingärten, der Pfarrer verfüge zudem über zehn Tagwerk Wiesen, kleine Zehente sowie eine weitere Wiese. Genannt wird außerdem der [Abt] von Heiligenkreuz, der einen Weingarten in Mödling auf Leibgeding auf zwei Leib jährlich für 12 ß überlassen hätte. Ein Hofmeister und die beiden Zechleute Michael Kraus und Leopold Schmidt werden als Pfarrpersonal angeführt.
Da der Pfarrer verstorben und die Pfarre vakant ist, finden sich keine Angaben zur liturgischen und seelsorgerischen Praxis. Eine Meldung des Fehlens eines Pfarrers sei bereits an den Pfleger ergangen.
17. Siechenals (fol. 357r)196
Das knapp gehaltene Protokoll liefert keine Angaben zu Datum und genauem Verlauf der Visitation. Es wird lediglich ein Vermerk zum Vorliegen der Kirchenrechnung aus dem Jahr 1581 vorgenommen und auf die Kirchenausstattung eingegangen. Demnach befänden sich in der Kirche in der Siechenals mehrere, vom Wiener Bischof im Jahr 1578 geweihte Altäre, die gepflegt und mit Paramenten ausgestattet seien. Das Fehlen des Allerheiligsten Altarsakraments sei auf die Tatsache zurückzuführen, dass derzeit keine Kranken in der Siechenals lägen. Die ursprünglich vorhandene, vom Bischof geweihte Testimonientafel fehle ebenso.
18. Biedermannsdorf (fol. 357r)
Bei der Visitation der Pfarre Biedermannsdorf am 13. August war der Pfarrer den Angaben im Protokoll zufolge abwesend, obwohl er darüber informiert worden sei. Auskunft erhielten die Visitatoren von den Mödlingern, die den derzeitigen Pfarrer vor einem Jahr eingesetzt hätten197. Demnach halte er die Messen in lateinischer Sprache und sei bei der Vorlage der Kirchenrechnung an die Mödlinger anwesend.
Die Pfarre verfüge lediglich über einen Zechmeister, betreibe vier Weingärten zu jährlich 36 fl. Ertrag und eine Wiesmahd zu etwa 15 Tagwerk. Das Einkommen des Pfarrers speise sich aus den Kirchengütern und entspreche 1 fl. pro Woche. Zudem verfüge er über ein Bergrecht von 15 bis 16 Eimer Wein und über Zehentbezüge von einem Muth Getreide.
Die drei Altäre der Pfarrkirche seien nicht geweiht. Tragaltar, Allerheiligstes Altarsakrament, heilige Öle und Korporaltücher fehlten, das Ewige Licht sei vorhanden, brenne aber nicht, ebenso vorhanden seien ein bronzener und vergoldeter Kelch und zwei Paramente. Das Taufbecken sei nicht versperrt, aber mit Wasser gefüllt, es sei jedoch unklar, ob es geweiht sei.
19. Gumpendorf (fol. 357r‒v)198
Die Befragung des Pfarrers, der gleichzeitig Prior des Schottenklosters ist, erfolgte am 16. August199. Demnach sei der Pfarrer Anhänger des katholischen Glaubens und der katholischen Lehre, zuverlässig und sorgfältig in seiner Amtsausübung und führe an Sonntagen Messfeiern mit Predigten durch. Wenn der Pfarrer nicht zelebriere, erfolge eine entsprechende Information an die Pfarrgemeinde. Der Katechismus nach katholischer Lehre würde von den Jesuiten durchgeführt. Für Taufunterricht und Taufe werde kein Entgelt verlangt. Die Taufe der Kinder erfolge im Schottenkloster. Die Kommunion verteile der Pfarrer sowohl unter einer als auch in beiderlei Gestalt, erneuere das Allerheiligste alle 14 Tage, kenne die Kautelen bei den defectus missae und lade diejenigen Kommunikanten, welche auch die Kelchkommunion empfangen wollten, jedoch während der Messfeierlichkeiten keinen Wein mehr bekommen hätten, an einem anderen Tag zur Konsumation des Blutes Christi. Er führe weder Tauf- noch Heiratsmatriken, höre die Beichte, wisse aber über die korrekte Absolutionsformel nicht Bescheid. Teile des Pfarrvolks würden in die evangelische Pfarre Inzersdorf auslaufen.
Die Pfarre Gumpendorf selbst umfasse 62 Häuser und verfüge über sieben Vogtherren. Die Pfarrkirche St. Ägidius habe drei ungeweihte Altäre, die heiligen Öle und das Allerheiligste Altarsakrament seien vorhanden, Letzteres aber verschmutzt. Das Ewige Licht habe nicht gebrannt, das Baptisterium sei versperrt. Die Kirchenrechnung werde der Gemeinde in Anwesenheit des Schottenpriors vorgelegt. Das Pfarreinkommen umfasse drei Viertel Zehente, das Kircheneinkommen fünf Viertel Zehente. Das Einkommen des Pfarrers setze
20. St. Ulrich (fol. 357v–359r)
Das Protokoll über die Visitation der Pfarre St. Ulrich am 14. August ist aufgrund des Fehlens von fol. 358 unvollständig und bietet nur wenige Informationen zu Pfarrer, Kirchenausstattung und -wirtschaft. Als Grundherren von St. Ulrich werden unter anderen das Domkapitel zu St. Stephan in Wien, Herr Schwarz, der Bischof von Passau und [Lorenz] Ostermayr genannt, letzterer verfüge über 157 Untertanen. Als Prediger und Priester wirke an Festtagen ein Jesuit. Die Kirche sei mit dezentem Schmuck, zwei Altären, einem silbernen Kelch und sauberen Corporalia ausgestattet, Baptisterium und Friedhof seien nicht vorhanden.
Die übrigen Angaben, die sich auf fol. 359r nach der Fehlstelle finden, sind wohl nicht mehr St. Ulrich, sondern einer der fehlenden Pfarren, St. Veit, Schwechat oder der Kapelle im Bürgerspital zuzurechnen.
Das Schlussdekret und die Folgen der Visitation
Den Schlusspunkt der Visitationsakten bildet ein Dokument, das eine Zusammenstellung der Maßnahmen liefert, welche im Sinne der innerkatholischen Reform von den visitierten Wiener Landpfarrern durch den Bischof eingefordert wurden (fol. 359r–364r, Abb. 6). Das auf den 22. August 1582 datierte Dokument selbst wird im Text als relatio und decretum bezeichnet und erhebt durch seine formale Gestaltung mit urkundenähnlichem Aufbau den Anspruch eines Rechtstextes. Eröffnet wird dieses bischöfliche Dekret durch einen Protokollteil, in welchem Bischof Neubeck als oberste Instanz der Diözese namentlich genannt wird (fol. 359r‒v). In diesem auch als Arenga zu bezeichnenden Abschnitt werden in rhetorischer Diktion die Beweggründe des Bischofs für die Abhaltung der Visitation gegeben. Im anschließenden Hauptteil des Dekrets werden gleichsam in Gestalt einer Dispositio die einzelnen Maßnahmen zur Stärkung der katholischen Konfession in den Pfarren aufgeführt (fol. 359v–362v). Am Schluss finden sich Datum und Ort der Ausstellung sowie die Nennung des ausführenden Notars an der bischöflichen Kurie, Walter Hasecke, "Doktor beider Rechte". Es folgt ein korroborativer Teil mit erneuter Datumsangabe, Nennung des Bischofs Neubeck und des Papstes Pius IV. als oberste kirchliche Autoritäten (fol. 362v–363r). Durch eine Liste mit den bei der Visitation anwesenden Pfarrern und Kaplänen (fol. 363r) wird dem Dokument zusätzliche Beglaubigung verliehen, ebenso wie durch ein Actum, eine Promulgationsformel und Angaben zur Anfertigung und Aushändigung von Kopien des Visitationsberichtes (fol. 363r‒v). Angefügt ist eine Liste der bei der Visitation abwesenden Personen (fol. 363v) sowie unbotmäßiger Verhaltensweisen einzelner Visitierter (fol. 363v–364r), bevor ein abermaliges Actum das Aktenkonvolut beschließt.
Die Arenga (fol. 359r‒v) nennt in stark rhetorisierendem Stil einige Argumente, mittels derer der Wiener Bischof die Durchführung der Visitation zu begründen sucht. So werden die Sorge um das Pfarrvolk200 ebenso als Motivation genannt wie "die Liebe und
Der Hauptteil des Schlussdekrets (fol. 359v–362v) wird von einem Maßnahmenkatalog (articuli) gebildet, zu dessen Umsetzung sich die visitierten Pfarrer durch die Setzung ihrer Unterschriften verpflichteten209. Die Mehrzahl der angeführten Inhalte betrifft die Amtsausübung und Glaubenspraxis der Pfarrer, die sich nun strikt am Regulatorium des Tridentinums orientieren sollten210. Der katholische Ritus war in allen Belangen einzuhalten211. Ein ausdrückliches Verbot wurde über den Besitz von als häretisch eingestuften Büchern verhängt, wobei bei widerrechtlichem Buchbesitz Exkommunikation angedroht wurde212. Erlaubt war ausschließlich von der katholischen Kirche approbierte Literatur, der tridentinische Katechismus hatte in jeder Pfarre aufzuliegen213. Besondere Sorgfalt sollten die Pfarrer bei der katholische Glaubensbildung der Jugend und der einfachen Gläubigen walten lassen und für eine adäquate Unterweisung in den katholischen Gebeten sorgen214. Zur Durchführung der Sakramentenspendung werden die Salzburger und Passauer Agenden von katholischer Seite anerkannt, häretische Agenden jedoch unter Verbot gestellt215. Das Taufbecken sollte insofern gepflegt werden, als es stets geschlossen und mit Weihwasser gefüllt sein sollte216. Die Pfarrer sollten neben Weihwasser und gesegnetem Salz auch die vorgeschriebenen heiligen Öle gebrauchen, Exorzismen vornehmen und
Umfangreiche Vorschriften werden zu Beichte und Buße gegeben. Jeder Pfarrer sollte Kenntnis über die verschiedenen Sündenkategorien haben, von denen, je nach Schwere des Vergehens, entweder der Pfarrer selbst oder aber allein der Bischof oder Papst als höhere Instanzen zur Lossprechung autorisiert sind222: Sie sollten Kenntnis darüber haben, welche Personen als Häretiker einzustufen und somit zu exkommunizieren seien, dazu hätten sie genauere Informationen in der entsprechenden Fachliteratur einzuholen, etwa in der Summula des Thomas Cajetan223. Nach abgenommener Beichte sollten die Pfarrer ausschließlich die von der katholischen Kirche autorisierte lateinische Absolutionsformel verwenden, deren Wortlaut im Protokoll wiedergegeben ist224, und eine umsichtige Wahl der Bußen vornehmen225.
Bei sämtlichen Messfeiern hätten die Pfarrer Ehrerbietung in ihren rituellen Handlungen an den Tag zu legen226, die Verwendung von Tragaltären und die Durchführung von Messfeiern außerhalb des Kirchengebäudes und in Privathäusern sei nur mit ausdrücklicher Erlaubnis gestattet227. Für die Zelebration der Messe durch den Priester werden genaue Anweisungen erteilt. So seien die unterschiedlichen Teile der Messe jeweils laut oder leise zu lesen228. Sämtliche Altäre in den Kirchen müssten geweiht sein229, geweihte und stets sauber gehaltene Kelche und liturgische Tücher sollten Verwendung finden,
Als ein weiterer ausführlich geschilderter Themenbereich wird der Umgang der Pfarrer mit den Altarsakramenten behandelt. Generell wird ein ehrfurchtsvoller Umgang mit dem Allerheiligsten Altarsakrament sowie dessen regelmäßige Erneuerung vorgeschrieben234, ebenso die Beachtung der im Missale angeführten defectus missae235. Die Kommunion sub utraque specie sei auf Wunsch zu gestatten und zu spenden, die Pfarrer sollten jedoch zur Kommunion sub una specie animieren, da diese die eigentliche katholische Art des Kommunizierens sei236. Genaue Anweisungen werden zum umsichtigen Umgang mit dem Blutsakrament während der Darreichung an die Kommunikanten gegeben. So sei ein Nachschenken von ungeweihtem Wein ebenso untersagt wie die Aufteilung der Kommunion auf mehrere Tage237, und übrig gebliebener Messwein dürfe nur in geheiligten und wertigen Gefäßen verwahrt werden238. Die Hostien für die Krankenkommunion sollten in einem eigenen Ziborium vorbereitet sein, wobei immer eine Reservehostie zur Sakramentenspendung bei den Kranken mitgenommen werden sollte, damit das Volk nicht auf dem Heimweg des Priesters die leere capsula verehren und damit Idolatrie begehen würde239. Außerhalb der Messe dürfe keine Konsekration erfolgen240, den Tabernakelschlüssel sollte ausschließlich der Pfarrer und nicht etwa der Mesner verwahren241, und das Ewige Licht sollte vorschriftsmäßig vor jedem Tabernakel brennen242. Pfarrfremde Personen dürften lediglich mit Genehmigung des eigentlich zuständigen Pfarrers seelsorgerische Betreuung erhalten243. Angesprochen wird zudem die Notwendigkeit der Einhaltung
Ausführlich eingegangen wird auch auf den Umgang der Pfarrer mit seinen Hausangestellten und Gemeindemitgliedern, insbesondere mit Frauen. Die Kleriker sollten sich nicht auf zu intensive Gespräche mit Laien einlassen247 und vor allen Dingen keine unlauteren Unterredungen mit Frauen führen248. Als Haushälterinnen seien nur alte oder verwandte Frauen, bevorzugt jedoch Männer zugelassen249. Bei Nichteinhaltung wird eine kirchenrechtliche und weltliche Strafverfolgung angedroht250.
Den Abschluss des dispositiven Teiles des Schlussdekrets bildet eine Sanctio mit Pönformel, in der nochmals auf die hierarchischen Strukturen innerhalb der Diözese verwiesen wird. Demnach seien die Pfarrer dazu verpflichtet, sich an die Direktiven des Bischofs zu halten, andernfalls würden sie sich nach kanonischem Recht strafbar machen251. Das Schlussdekret gewährt also auch Einblick in das Verhältnis der einzelnen Akteure zueinander. Als oberste kirchliche Instanz der Diözese erscheint der Wiener Bischof Johann Caspar Neubeck, der als Aussteller der Dekrete zur Ankündigung der Visitation und auch des Schlussdekrets fungiert. Der Bischof beruft sich seinerseits auf den Landesfürsten Erzherzog Ernst, sodass die Visitation auf landesfürstlicher Basis begründet erscheint, sich in ihrer konkreten Umsetzung aber auf den Diözesanbischof beruft. Vor diesem Hintergrund erscheint die Visitation ein probates Mittel zur Sicherung des Status des Bischofs innerhalb der Kirchenhierarchie. Der Bischof ist berechtigt und durch seine Bindung an den Papst in Rom sogar dazu verpflichtet, entsprechende Rechtsnormen für sein Territorium umzusetzen. Ihm kommen demnach eine Reihe von Funktionen bei der Durchführung der Visitation zu: Er veranlasst sie nicht nur und lässt sie mit Hilfe seines administrativen Apparates ausführen, sondern er übt in der Folge auch richterliche Gewalt bei der Umsetzung der auferlegten Regeln aus252. Als zugrunde gelegte Rechtsdokumente werden im vorliegenden Textkonvolut die Canones des Tridentinums und die päpstliche
Darauf, dass es sich bei der gegenständlichen Visitation um einen kirchlichen Rechtsakt handelt, verweisen auch die Ausfertigung der Akten durch den bischöflichen Notar Walter Hasecke255 und der korroborative Teil des Schlussdekrets (fol. 362v–363r). Die Berufung auf die Bulle Iniunctum nobis Papst Piusʼ IV.256 verbindet die vorgenommene Visitation der Wiener Landpfarren mit der obersten Ebene der katholischen Kirche, vervollständigt das hierarchische Gefüge und deklariert die Maßnahmen als von höchster Instanz autorisiert. Die beigegebene Zeugenliste (fol. 363r) umfasst die Namen der meisten visitierten und befragten Pfarrer sowie eines im Hofspital und zweier im Wiener Bürgerspital tätiger Kapläne.
Des Weiteren folgen Vermerke zur Ausstellung, Promulgation und Ausfertigung der Akten. An das Actum (fol. 363v) schließt die Promulgationsformel an, der zu entnehmen ist, dass eine bischöfliche Resolution (sententia declaratoria et resolutoria) betreffend die erfolgte Visitation veröffentlicht, d. h. auch vorgelesen (praelecta) wurde257. Diese Bekanntmachung geschah wohl in Anwesenheit der zuvor visitierten Pfarrer, die sich für den Abschluss des Visitationsprozederes offenbar wieder in der bischöflichen Residenz einzufinden hatten258. Die Resolution wurde zudem schriftlich in drei Exemplaren ausgefertigt, mit dem Siegel des Wiener Konsistoriums versehen und sodann den betreffenden Pfarren zugestellt, die in der Folge im Detail aufgelistet werden259. Die Pfarrer erhielten zudem jeweils ein Exemplar der päpstlichen Bulle Caenae Domini und hatten in Anwesenheit zweier Juristen des Bischofs – Karl Stredele und des bereits bekannten Walter Hasecke – das für alle kirchlichen Amtsträger und Seelsorger verpflichtende tridentinische Glaubens-
Von besonderem Interesse für den Ablauf der Visitation sind auch die abschließenden Ausführungen im Schlussdekret. Zunächst ist dies eine Liste von Personen, die sich zur Zeit der Visitation auf Wallfahrt in Mariazell befunden hätten und so für eine Einvernahme durch die Visitationskommission nicht zur Verfügung gestanden wären (fol. 363v)264. Es handelt sich dabei um die Pfarrer von St. Veit, Schwechat, St. Michael und des Bürgerspitals, die aber allesamt die bischöfliche Resolution unterzeichnet hätten265. Ihre Teilnahme an der Wallfahrt entschuldigt ihre Abwesenheit bei der Visitation insofern, als es sich dabei um eine von der offiziellen katholischen Kirche höchst begrüßenswerte Glaubenspraxis handelt, die im Zuge der innerkatholischen Reform und insbesondere im Barockkatholizismus des 17. und 18. Jahrhunderts gefördert wurde.
Keineswegs entschuldbar war aus Sicht der Visitatoren allerdings eine Reihe von unbotmäßigen Verhaltensweisen einzelner Personen, die am Ende der Schlussakten referiert werden (fol. 363v–364r). So waren die Zechleute aus Schwechat immer noch die Aufzeichnungen zum Kircheneinkommen (die verzaychnuß der khircheneinkhommen) schuldig. Die Richter und Zechleute von Atzgersdorf seien trotz Vorladung (licet citati et vocati) und im Unterschied zum Schulmeister nicht anwesend, hätten sich aber auch nicht entschuldigt. Der Pfarrer von Laxenburg händigte verbotene Bücher des Konrad Pellicanus aus und erhielt wie auch andere, die sich des Vergehens des verbotenen Bücherbesitzes schuldig gemacht hätten, die bischöfliche Absolution266. Der lutherisch gesinnte Lehrer von Atzgersdorf sei dem Gefängnis überantwortet worden, und die übrigen oben angeführten ungehorsamen Pfarrer würden erneut zu Gehorsam aufgerufen werden.
An dieser Stelle im Schlussdekret finden sich also auch Hinweise auf die Konsequenzen, welche von der Kirchenobrigkeit aus der Visitation gezogen wurden. Einige weitere Anhaltspunkte für die geplanten Konsequenzen sind einem Einzelblatt zu entnehmen, welches sich nicht im Wiener Protokollbuch, sondern in den Bischofsakten des Johann Caspar Neubeck befindet (Abb. 7)267. Unter der Überschrift Acta 16. Augusti in visitationis ca(us)a finden sich knappe Aufzeichnungen zu Maßnahmen, die in den Pfarren Biedermannsdorf, Oberlaa, Lanzendorf, Währing und Oberdöbling angedacht oder auch tatsächlich ergriffen wurden. Der als Häretiker eingestufte Pfarrer von Biedermannsdorf sollte abermals in die bischöfliche Residenz zitiert werden, falls dieser sich weiterhin un-
In der Folge der Visitation der Wiener Landpfarren suchte Bischof Neubeck durch mehrfache Erlässe, die ebenfalls in das Protokollbuch des Konsistoriums aufgenommen sind, die vorgefundenen Mängel zu beseitigen273. Die protokollierten Dekrete und Berichte zeigen das Zusammenspiel kirchlicher und weltlicher Instanzen insbesondere im Versuch, gegen das anhaltende Auslaufen der Wiener Bevölkerung vorzugehen. Trotz wiederholter Anstrengungen gelang es in den Folgejahren aber weder dem Bischof noch dem Landesfürsten Erzherzog Ernst, die protestantischen Glaubenspraktiken zu unterbinden. Noch für die Jahre 1588 und 1589 bezeugen Dokumente aus den Ordinariatsakten Neubecks, dass Wienerinnen und Wiener weiterhin regelmäßig etwa nach Vösendorf und Inzersdorf ausliefen274.
Der Informationswert der Visitationsprotokolle des 16. Jahrhunderts
Die in Visitationsprotokollen getätigten Angaben, insbesondere diejenigen über konfessionelle Belange, die konfessionelle Ausrichtung sowie die liturgische und pastorale Arbeit des Pfarrers, unterliegen einem gewissen Vorbehalt, was ihre Aussagekraft betrifft. So ist stets der Entstehungskontext der Protokolle ausschlaggebend für deren Gehalt und Auswahl der gegebenen Informationen275. Ihre Gestaltung steht immer in engem Zusammenhang mit der jeweiligen konfessionellen Sichtweise der Visitatoren, was sich bereits auf die Konzeption der Fragenkataloge niederschlägt. Diese sagen oftmals "weniger etwas über die Realitäten des religiösen Lebens der Visitierten, sondern mehr über
So vorsichtig mit den Aussagen zur konfessionellen Einstellung von Personen umgegangen werden muss, so informativ können Visitationsprotokolle des 16. Jahrhunderts hinsichtlich ihrer Angaben zu politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnissen in den Pfarren sein279. Durch die Nennung der Namen der visitierten Pfarren, eventueller inkorporierter Pfarren, zugehöriger Filialkirchen und Kapellen zeichnet sich ein topographisches Netzwerk der visitierten Region ab, das Aufschluss über die damaligen Pfarrstrukturen und -organisation gewährt. Gelegentliche Angaben zu den Patrozinien der Pfarrkirchen und den ihnen zugeordneten Benefizien ergänzen das Bild. Zusätzlich zum Klerikerpersonal können auch Stifter, Vogt- und Lehensherren namentlich genannt sein, die die rechtlichen und grundherrschaftlichen Verhältnisse in den Pfarren erschließen helfen. Die Zuordnung von Grundbesitz und Wirtschaftsbetrieben samt Einnahmen zu einzelnen Pfarren lenken den Blick auf die Pfarre als Wirtschaftsbetrieb280. Die Geistlichen selbst, Pfarrer, Benefiziaten, Kapläne und Hilfskleriker, werden hinsichtlich ihrer liturgischen und seelsorgerischen Tätigkeiten sowie ihrer Lebensführung erfasst, was eine Quelle für den Personen- und Berufsstand der Kleriker selbst wie auch anderer Personen in der Pfarre darstellt. Von bildungsgeschichtlichem Interesse sind theologische und literarische Bücher, die als im Besitz der Pfarre oder des Pfarrers angeführt werden können281.
Die Einzelheiten betreffend das Pfarrvolk – die Anzahl der Pfarrzugehörigen, die Frequenz ihrer Messgänge, Beichte und Kommunion – lassen die demographischen Ver-
Im Verlauf der Entwicklungsgeschichte der Quellengattung Visitationsprotokoll spielen vermehrt Angaben zum baulichen Zustand der visitierten Gotteshäuser (fabrica ecclesiae) und zu ihrer liturgischen und künstlerischen Ausstattung eine Rolle284. Nicht zuletzt gewähren Visitationsprotokolle auch Aufschluss über Organisation und Durchführung der Visitation selbst und lassen Rückschlüsse auf die Verfahrensweisen der Visitationspraxis zu: die Initiative und Leitung durch den Diözesanbischof, die sich verfestigenden diözesanen Hierarchien, das Verhältnis zwischen zentralem Bischofshof und den dezentralen, aber zusehends auf den Bischofshof hin ausgerichteten Pfarren. Die religiösen und politischen Ziele der visitierenden Stelle klingen im Protokoll ebenso an wie die Wechselwirkungen zwischen geistlicher Leitung der Diözese und den weltlichen Landesherren. Die Beschäftigung mit einem frühneuzeitlichen Visitationsprotokoll kann so zu einem tiefgreifenderen Verständnis gesellschaftspolitischer Konstellationen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts beitragen285.
Administration, Größe und Patrozinien der visitierten Pfarren
Angaben zur Organisation der Pfarren und zum weltlichen Verwaltungspersonal in den entsprechenden Gemeinden gewähren Aufschluss über den administrativen Rahmen der Pfarrführung. So wird im Visitationsprotokoll der Wiener Landpfarren von 1582 jeweils ein weltlicher Marktrat für die Pfarren Perchtoldsdorf und Mödling genannt. Ebenfalls für Mödling sowie für Brunn und Oberlaa scheinen Ortsrichter auf, welche während der Visitation als Informationsquellen über Pfarrer und Pfarre befragt wurden. In dieser Beziehung zwischen geistlichem und weltlichem Personal spiegelt sich ein wesentliches Moment der Konfessionalisierung: Die weltlichen Verwalter und Grundherren eines Ortes waren stets in die konfessionellen Belangen eingebunden, ja oftmals tonangebend für die konfessionelle Ausrichtung ihrer Ortspfarre286, so auch der landesfürstliche Vizedom als Vogtobrigkeit in Penzing. An weltlichem Personal scheinen in Laxenburg, Penzing, Lanzendorf und Biedermannsdorf jeweils ein Zechmeister auf, in Lanzendorf ein Hofmeister. Mesner werden für Mödling und Brunn verzeichnet, für Perchtoldsdorf je ein Kantor und Organist mit Gehilfe, für Laxenburg ein Müller und Bader sowie ebenfalls ein Bader für Oberlaa.
Was das geistliche Personal in den 20 visitierten Pfarren betrifft, so werden für elf dieser Pfarren auch Pfarrer genannt, in einigen Fällen gleich mehrere Pfarren von ein und
Im Visitationsprotokoll wird gelegentlich auch der grundherrschaftliche Status erläutert, etwa im Fall des Schlosses Mauer, das der Herrschaft Atzgersdorf zugerechnet wird. Bei einigen Pfarren wird auch die genaue Zahl der dienstpflichtigen Untertanen genannt: So konnte der Abt des Benediktinerklosters Vornbach (Formbach) in Bayern über 22 und das Wiener Bürgerspital über vier Untertanen in Baumgarten verfügen. In Ottakring wiederum wird der Großteil der Untertanen dem Propst von Klosterneuburg zugerechnet, außerdem noch 14 dem Brassicanus287, und die Äbtissin des Dominikanerinnenklosters in Tulln war Grundherrin in Oberdöbling. Der Pfarre Währing zuzurechnen waren vier Landgüter in Währing, Weinhaus, Gersthof und Pötzleinsdorf, zudem verfügten in Währing der Abt der Benediktinerabtei Michaelbeuern und der Salzburger Erzbischof über je 14 Untertanen, außerdem ein gewisser Herr Reiner, der Propst des Wiener Dorotheerklosters und der Pfarrer von Hütteldorf über je 13. Diese teils starke Durchmischung der Pfarren mit unterschiedlichen Grundherrschaften, weltlichen und geistlichen, die sich nicht selten auch in einiger räumlicher Distanz zu Wien und Wien Umgebung befanden, zeigt sich auch für St. Ulrich. Dort scheinen der Passauer Bischof und das Wiener Domkapitel ebenso als Grundherren auf wie die Herren Schwarz und Ostermayr, letzterer mit 157 Untertanen. Durch die Angabe der zuständigen Grundherrschaft lässt sich gelegentlich auch auf die mögliche oder wahrscheinliche konfessionelle Tendenz der jeweiligen Pfarre schließen. So gilt etwa der Ottakringer Grundherr Brassicanus als Förderer der Protestanten, während die Unterstellung St. Ulrichs unter das Wiener Domkapitel und die 1582 bereits erfolgte Installierung eines Jesuiten als Pfarrer, wie aus dem Visitationsprotokoll ersichtlich ist, bereits auf erste gegenreformatorische Schritte seitens des katholischen Zentrums in Wien schließen lässt.
Wirtschaftshistorisch verwertbar sind Angaben zu Ausdehnung und Größe der Pfarren, die sich in einigen Fällen durch die Nennung der Häuser- oder die Einwohneranzahl ermessen lassen. So werden für Gumpendorf 62, Unterdöbling 41 und Hennersdorf-Leopoldsdorf 32 Häuser sowie für Oberdöbling 28 Einwohner festgehalten. Währing wiederum verfügte zusätzlich zu seinen etwa 42 Häusern über weitere 38 in Weinhaus, 13 in Gersthof und 16 in Pötzleinsdorf.
Von kirchengeschichtlichem Interesse sind Informationen, die zu den Patrozinien der Pfarrkirchen sowie etwaigen Filialkirchen gegeben werden. So werden der Pfarre Atzgersdorf mit Mauer, Kalksburg, Hetzendorf, Altmannsdorf, Erlaa sowie Ober- und Unterliesing insgesamt sieben Filialkirchen zugeordnet. In einem Fall findet sich auch ein Verweis auf den Plan einer Pfarrzusammenlegung: Aus Gründen der Pfarrorganisation sollen die Pfarren Ober- und Unterdöbling zusammengeschlossen werden, so der Vorschlag im Visitationsprotokoll. Patrozinien sind für Ottakring (die Pfarrkirche St. Lambert in Alt-
Die Pfarren als ökonomische Einheiten
Besondere Aufmerksamkeit wird bei der bischöflichen Visitation auf die Überprüfung und Protokollierung der wirtschaftlichen Gebarung der Pfarren gelegt. Vor diesem Hintergrund dient das Visitationsprotokoll auch als wichtige Quelle für die Pfarren als Wirtschaftseinheiten. Dafür, dass die ökonomische Lage der Pfarren gegen Ende des 16. Jahrhunderts sich nicht selten als problematisch darstellte, sprechen einzelne Vermerke im Protokoll. So wird der Schwund an regelmäßigen Einnahmen für Pfarren etwa daraus ersichtlich, dass befragte Pfarrangehörige über die Entrichtung zu hoher Stolgebühren klagen. In Ermangelung anderer Einkünfte wurden diese offensichtlich von einigen Pfarrern eingehoben288.
Eine grundsätzliche Unterscheidung in der wirtschaftlichen Administration bestand in der gesonderten Betrachtung der Einkünfte und Aufwendungen für die Pfarren und für die Pfarrer. Im Visitationsprotokoll von 1582 werden eine Reihe unterschiedlicher Arten von Einkünften für die Pfarren festgehalten. Führend waren hierbei Erträge aus Weingärten289, Grund und Boden290, Wiesmahd291 und Äckern292, darüber hinaus auch relevant Zehent-293 und Sondereinnahmen294 ebenso wie Benefizien295. Auch die grundherrschaftlichen Verhältnisse lassen sich aus den Darlegungen über zugehörige dienstbare Häuser erschließen. So wird etwa für die Pfarre Währing spezifiziert, dass neben den 42 Häusern in Währing selbst noch weitere in den umliegenden Orten zu Währing gehören296. In einigen Fällen werden auch pfarrliche Ausgaben genannt. So hatte etwa die Pfarre Perchtoldsdorf Wein- und Salzabgaben an die Kathedralkirche St. Stephan in Wien zu entrichten und darüber hinaus auch das Pfarrpersonal – Pfarrer, Kantor, Organisten und Gehilfen des Organisten – zu entlohnen. Mesner und Konduktoren in Mauer wurden ebenso von der Pfarre bezahlt wie der Bader in Oberlaa und der Pfarrer in Penzing, Baumgarten, Mödling und Simmering. Im Falle Mödlings musste aus dem Pfarrerseinkommen auch der Unterhalt eines Kaplans bestritten werden.
Die Angaben über die Verpflichtung der Pfarrer, die Kirchenrechnungen regelmäßig dem Rat, dem Richter oder der Gemeinde vorzulegen, bezeugt die Verbindung zwischen der kirchlichen Institution Pfarre und weltlichen Instanzen. Dieses Zusammenspiel unterschiedlicher Institutionen lief nicht unter der Kontrolle der kirchlichen Zentralver-
Der Lebensunterhalt der Pfarrer setzte sich häufig ebenfalls aus unterschiedlichen Komponenten zusammen299. Die Wiener Landpfarrer schöpften 1582 in der Hauptsache aus den direkten Erträgen aus Weingärten, daneben auch aus der Weinwirtschaft in weiterem Sinn, etwa im Fall des Pfarrers von Brunn, der Zehente daraus bezog. Einnahmen aus Weinanbau sind auch für die Pfarrer von Ottakring und Gumpendorf verzeichnet, aus Wein und Getreide für den Pfarrer von Biedermannsdorf. Eine grundlegende Einnahmequelle der Pfarrer bildeten auch Handgeld und Stolgebühren wie namentlich für den Penzinger Pfarrer, gelegentlich auch Beträge aus Sammlungen wie in Oberdöbling. Die komplexe finanzielle Situation der Pfarren und Pfarrer wird einmal mehr aus den Angaben zu Lanzendorf und Laxenburg ersichtlich: Demnach bezog der Pfarrer von Lanzendorf seine Einkünfte aus der Bewirtschaftung von Wiesen und Äckern, der von Laxenburg aus Grund und Boden, Wiesen, Äckern und Weingärten. Auch Naturalabgaben waren nichts Ungewöhnliches. So bezog der Pfarrer von Perchtoldsdorf außer einem Geldbetrag auch Wein, Salz und Holz nach Bedarf, ebenso wie das Benefizium des Hl. Leonhard. Benefizien sind zudem für Mauer belegt (St. Andreas-Benefizium), und für Mödling wird immerhin auf die ehemalige Existenz von Benefizien für den Unterhalt dreier Priester verwiesen, welche zum Zeitpunkt der Visitation jedoch nicht mehr existierten.
Zahlungen, welche die Angehörigen der Pfarrgemeinde neben den Stolgebühren zu leisten hatten, waren in Baumgarten, Hennersdorf und Leopoldsdorf die Begräbnistaxen. Aus der Tatsache, dass sich laut Protokoll der Zechmeister von Hennersdorf und Leopoldsdorf über die unverhältnismäßige Höhe der Begräbnistaxen beschwert, darf durchaus auf prekäre finanzielle Verhältnisse in den Pfarrfinanzen geschlossen werden. Einige Pfarrer hatten aus ihren Bezügen auch pfarrbezogene Ausgaben zu tätigen, so kam der Laxenburger Pfarrer für das Lehrergehalt und das Ewige Licht, der Mödlinger für den Unterhalt des Kaplans auf.
Die Kirchen- und Pfarrgebäude
Ein wesentlicher Teil der bischöflichen Kontrolle der Pfarren bestand in der Feststellung des Zustands der Pfarrhäuser und Kirchen. Im Protokoll selbst werden zumeist Mängel und Unzulänglichkeiten festgehalten, gelegentlich auch die vorschriftsmäßige Verwahrung liturgischer Utensilien vermerkt300. Verzeichnet werden ungeweihte Kapellen und Kirchen301, Gotteshäuser in geplündertem302 und baulich mangelhaftem Zustand303 ebenso wie bereits unternommene Renovierungsarbeiten304. Als wesentlicher Teil der Visitation der kirchlichen Räumlichkeiten werden die Orte und Gegenstände zur Vollziehung der Liturgie inspiziert. Hierbei stehen Altar und Tabernakel als Orte im Focus der Kontrolle305. Vermerkt wird, ob die Altäre in den jeweiligen Pfarrkirchen geweiht, vorschriftsmäßig aus Stein gefertigt und mit Paramenten ausgestattet sind306. Auch die unzulässige Verwendung von Tragaltären wird gelegentlich vermerkt307.
Da es Ziel der gegenreformatorischen Bestrebungen war, die sakralen Bereiche strikt von den profanen zu trennen und somit die Nutzung von Kirchenraum und liturgischen Gerätschaften ausschließlich für sakrale Handlungen zu gestatten308, nimmt im Visitationsprotokoll von 1582 die Verzeichnung der für liturgische Handlungen notwendigen Gerätschaften und die Bewertung ihrer Qualität einen breiten Raum ein. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Aufbewahrung des Allerheiligsten Altarsakraments gelegt, wobei die Art der Verwahrung und der hygienische Zustand vermerkt werden309. Vor allem die Behälter zur Aufbewahrung der Hostien und deren Verwahrung im Tabernakel
Dieses Bestreben nach klarer Abgrenzung der sakral-kirchlichen von der profan-alltäglichen Sphäre wurde durch klare Vorgaben hinsichtlich der Verwendung von Gerätschaften des katholischen Ritus unterstützt. Eine weitere Maßnahme zur Determination katholischer Konfession, die als solche für das Pfarrvolk deutlich erkennbar sein sollte, war die Klärung der Nutzung kirchlicher und pfarrlicher Gebäude und Flächen. So suchte man seitens der bischöflichen Verwaltung eine ordnungsgemäße nächtliche Sperre der Friedhöfe, wie im Protokoll der Pfarre Mödling vermerkt, durchzusetzen, um dessen sakralen Charakter zu wahren316. Die gelegentliche Erwähnung von Renovierungsarbeiten an Pfarr- und Kirchengebäuden und die immer wieder auftauchende Kritik an mangelnder Sauberkeit fügen sich ebenso in das Konzept der Ästhetisierung kirchlicher Einrichtungen und liturgischer Gegenstände317, wodurch das Pfarrvolk auch "über das Auge mit Glaubensinhalten vertraut gemacht"318 werden sollte.
Die visitierten Personengruppen
Die Pfarrer
Der Hauptzweck der 1582 durchgeführten Visitation der Wiener Landpfarren war es, neben der Kontrolle des allgemeinen Zustandes der Pfarre und der Pfarrwirtschaft den Pfarrer zu überprüfen. Hierbei standen dessen liturgischer und seelsorgerischer Einsatz ebenso wie dessen Lebenswandel im Fokus des Interesses. Zunächst werden Informationen über Zeitpunkt und Durchführung der Priesterweihe sowie allgemein zur Amtsausübung der Pfarrer eingeholt, was Rückschlüsse auf die konfessionelle Ausrichtung der Pfarrer zulässt. So seien der Pfarrer von Laxenburg vom Gurker und der von Penzing vom Wiener Bischof geweiht worden, was auf eine "gute katholische" Haltung schließen lässt. Der Atzgersdorfer Pfarrer habe hingegen die Priesterweihe von einem Lutheraner empfangen. Für den Pfarrer von Perchtoldsdorf, der sein Amt bereits seit 29 Jahren verrichtete, findet sich auch eine Angabe zur bisherigen Dienstzeit in der Pfarre. Der Laxenburger Pfarrer wiederum übernahm sein Amt von seinem Vater, was als Hinweis auf die zum Zeitpunkt der Visitation noch nicht gefestigte Abgrenzung der katholischen von der evangelischen Konfession genommen werden darf.
Im Rahmen der Visitationsbefragung erfolgt auch eine generelle Einschätzung, inwiefern die Pfarrer dem katholischen Glauben zugetan seien und diesen in der Praxis auch umsetzten. Elf Pfarrer bestätigten ihren katholischen Glauben319, was hinsichtlich ihrer tatsächlichen Ausrichtung freilich nicht als aussagekräftig gelten muss, zumal auch der Pfarrer von Atzgersdorf, der einen lutherischen Schulmeister hatte, und der Pfarrer von Laxenburg, der sein Amt von seinem Vater übernommen hatte, sich selbst als katholisch titulieren. Durch Befragung von örtlichem Verwaltungspersonal wie Mitgliedern des Gemeinderats wird versucht, die Qualität der Arbeitsweise der Pfarrer zu ermitteln. Einigen Pfarrern wird hierin Zuverlässigkeit attestiert320. Gelegentlich werden konkrete Beobachtungen zu einzelnen Pfarrern im Protokoll ausgeführt. So wird von Richter und Gemeindeverordneten dem Pfarrer von Oberlaa eine intensive Predigerarbeit nachgesagt. Der Ottakringer Pfarrer wiederum verfügte über zusätzliche Benefizien in Wien und erfüllte daher seine Gottesdienst- und Seelsorgepflichten nicht immer.
Neben der Amtsführung geht der Protokollbericht insbesondere auf die liturgischen und seelsorgerischen Tätigkeiten der Pfarrer ein und spiegelt gerade im Umgang mit diesen Thematiken die Kirchenpolitik der Zeit seit dem Tridentinum321. Mit dem Konzil wurden zusehends Anstrengungen unternommen, Regulative für das Tun der Kleriker zu finden und als Standards für die katholische Konfession festzulegen. Den breitesten Raum in den Protokollen nehmen Angaben zu Messfeierlichkeiten und Sakramenten ein. Messfeiern erfolgten in unterschiedlicher Häufigkeit, an bestimmten katholischen Feier-
Breiten Raum nimmt in den Pfarrprotokollen die Problematik der Form der Eucharistie ein. Im Rahmen des Konzils von Trient war für katholische Gläubige die einfache Kommunion in Gestalt des Brotes festgelegt worden, die Kelchkommunion wurde für die katholische Konfession ausgeschlossen. Das vorliegende Protokoll legt jedoch einmal mehr Zeugnis davon ab, dass dieser Standard über Jahrzehnte hinweg nicht umgesetzt werden konnte, ja zeitweise den Gläubigen auch von offizieller Seite her Zugeständnisse gemacht und ihnen der Laienkelch gestattet wurde330. Das Visitationsprotokoll von 1582 verzeichnet für insgesamt sieben Pfarren – Perchtoldsdorf, Brunn, Hennersdorf-Leopoldsdorf, St. Marx, Ottakring, Mödling und Gumpendorf – den Kommunionsempfang gänzlich oder zumindest teilweise sub utraque specie331. In Brunn kommunizierte zu Ostern die gesamte Gemeinde in beiderlei Gestalt, an anderen Feiertagen, etwa zu Pfingsten und Weihnachten, hingegen insgesamt nur wenige. Eine konkrete Zahl an Kommunikanten wird für Perchtoldsdorf angeführt, wo zwischen Ostern und Pfingsten 1582 insgesamt 1.200 Personen, davon 200 sub una specie, das Sakrament der Eucharistie empfingen. Abweichungen von der standardmäßigen Durchführung der Kommunion werden ebenso gelegentlich verzeichnet wie der Umgang der Pfarrer mit konsekriertem Messwein332.
In enger Verbindung zum Umgang der Pfarrer mit der Eucharistie steht als weiteres Sakrament der katholischen Kirche die Beichte. Das Visitationsprotokoll vermerkt für die meisten Pfarren die regelmäßige Durchführung von Beichte und Kommunion wenigstens an zentralen Festtagen des katholischen Kirchenjahres, wobei auch darauf hingewiesen wird, dass die Gemeinde durch den Pfarrer explizit zur Teilnahme aufgerufen wurde333. Eigens vermerkt werden Pfarrer, die Personen aus einem fremden Pfarrsprengel zur Kommunion zulassen. Dies tue der Pfarrer von Laxenburg in denjenigen Fällen, in denen Pfarrfremde keiner Stammpfarre zugerechnet werden könnten, und der Pfarrer von Atzgersdorf spende Kommunion und Beichte an Personen aus Vösendorf. Da das grundsätzlich verbotene Frequentieren fremder Pfarren überdies als Anzeichen für protestantisches Wirken gedeutet werden konnte, konnten derartige Verfahren von den Visitatoren als potentielle Hinweise auf nicht-katholisches Tun verstanden werden. Besondere Aufmerksamkeit wird der Korrektheit der Absolutionsformel entgegengebracht. Während die Pfarrer von Brunn, Oberlaa, Ottakring und Mödling diese entsprechend dem katholischen Reglement rezitieren, wird Kritik an einer auf Deutsch gesprochenen oder lediglich abgelesenen Formel334 sowie an der gänzlichen Unkenntnis dieser geübt335. Betreffend die Beichte wird im Protokoll auch die Frage der Reservatfälle angesprochen, besonders schwerwiegende Sündenfälle, von denen nur der Bischof oder Papst lossprechen können336. So wären den Pfarrern von Brunn und Ottakring die Reservatfälle bekannt, für die allein der Papst die Absolution erteilen könne, allen anderen Befragten jedoch nicht. In dieser Problematik lässt sich das Programm des Tridentinums ablesen, wonach die kirchliche Hierarchie stabilisiert werden und die bischöfliche Zentralmacht ihre klar definierte Rolle zugewiesen bekommen sollte.
In Zusammenhang mit der katholischen Messliturgie werden einige weitere Thematiken angesprochen. In einigen Pfarren wurden offenbar auch Liturgien wie Vespern und Litaneien337, gelegentlich auch Prozessionen und zusätzliche Gottesdienste angeboten338. Für die Messliturgie selbst wurde von Seiten der katholischen Orthodoxie die lateinische Sprache propagiert339, um sich von den Protestanten, die seit Martin Luther auf die Volkssprache setzten, deutlich zu distanzieren. Dies klingt im expliziten Verweis auf die Verwendung des Lateinischen in der Pfarre Biedermannsdorf an. Die zur Erfüllung der liturgischen Feiern vorgesehenen heiligen Öle wurden weitestgehend verwendet340 und
Auch auf die Sakramente der Taufe und der Krankensalbung wird Bezug genommen, insbesondere wird verlangt, dass keine Kinder ungetauft und keine Kranken ohne Versehung mit den Sakramenten sterben. Von den meisten Pfarrern wurde Krankenseelsorge geleistet343. Auch die angewandten Taufzeremonien werden als durchwegs katholisch eingestuft344, wenngleich einige Irregularitäten vermerkt sind. So hob der Pfarrer von Gumpendorf keine Gebühren für die durchgeführten Taufen ein, und die Kinder in Währing und Gumpendorf wurden nicht in ihren Heimatpfarren, sondern in Wien getauft, im Fall von Gumpendorf im Wiener Schottenkloster. Auf klare Regeln war der Wiener Bischof auch hinsichtlich des Begräbnisdienstes bedacht, daher wird auch die Einhebung von zu hohen Begräbnistaxten bei Armenbegräbnissen durch den Pfarrer von Perchtoldsdorf kritisiert.
Im Zuge der Visitation von 1582 wurden die Pfarrer auch zu ihren Predigtgewohnheiten befragt. Aus deren Aussagen hoffte die Visitationskommission, Rückschlüsse auf die konfessionelle Gesinnung der Befragten ziehen zu können345. Bei Kategorisierung als protestantisch konnten entsprechende Konsequenzen für die betreffenden Pfarrer und Prediger gezogen werden. Dezidiert eingegangen wird auf die Predigttätigkeit der Pfarrer von Penzing und Ottakring. In Ottakring wurde demnach an Sonntagen in St. Lambert gepredigt, an den anderen Tagen in der St. Wolfgangs-Kapelle. In der Präsenz des jesuitischen Predigers und Priesters in St. Ulrich manifestieren sich die ersten gegenreformatorischen Maßnahmen, welche das Wiener Bistum ab den 1580er Jahren unternahm und in den folgenden Jahrzehnten verstärkte.
Im Protokoll Erwähnung finden auch verschiedene weitere Aufgabenfelder der Pfarrer, die entweder im Rahmen der Liturgie erledigt wurden oder in die Bereiche Bildung und Alltagsleben fallen. Gelegentlich werden die Verfahrensweisen der Pfarrer bei Benediktionen von Wasser und Wein346 sowie auch Stolgebühren und Benefizien thematisiert347. Als maßgeblich für den katholischen Jahreslauf wird die Einhaltung der kirchlichen Feiertage und der damit verbundenen Fastengebote gewertet, was für die Mehrzahl der Pfarrer bestätigt wird348.
Eine wichtige Funktion in der Verbreitung religiöser Inhalte kam den Pfarrern und ihren Schulmeistern insofern zu, als sie durch den Katechismusunterricht Glaubensthe-
Viel Raum nimmt im Protokoll auch die Frage nach dem Tagesablauf und dem allgemeinen Lebenswandel der Kleriker ein. Den Tagesablauf eines Klerikers strukturierten unter anderem die Stundengebete, die nur einige Pfarrer, mehr oder weniger regelmäßig, lasen350.
Den Ausführungen des Protokolls ist zu entnehmen, dass der orthodox-tridentinische Lebensentwurf zwar ein vom katholischen Zentrum angestrebtes Ideal darstellte, diesem in der Praxis jedoch kaum von den Pfarrern entsprochen wurde. Dafür spricht auch, dass einige Pfarrer verheiratet waren oder im Konkubinat lebten351. Betreffend das private Verhalten wurde abgefragt, ob die Pfarrer zu Spiel-, Streit- oder Trunksucht neigten, rauften und fluchten oder an weltlichen Festen teilnahmen352. Gelegentliche Streitereien mit Mitgliedern seiner Pfarrgemeinde werden immerhin für den Pfarrer von Hennersdorf-Leopoldsdorf vermerkt.
Den Abschluss des Fragenkatalogs bildet die Erkundigung über die äußere Erscheinung der visitierten Kleriker. Für elf Pfarrer wird das Tragen des Habits, der Klerikerkleidung, festgehalten353. Tonsur trugen lediglich die Pfarrer von Ottakring, Mödling und St. Ulrich. Manche suchten ihre Ablehnung der Tonsur zu begründen, so der Pfarrer von Laxenburg, der laut eigenen Angaben über eine päpstliche Dispens verfügte, die ihn von der Tonsur freigestellt hätte, und auch die Pfarrer von Brunn und Penzing, die aus Angst vor negativen Auswirkungen keine Tonsur tragen würden.
Aus den im Visitationsprotokoll behandelten Themenbereichen rund um die Amtsführung und die Lebensentwürfe der Pfarrer lässt sich das Bestreben der einsetzenden katholischen Konfessionalisierung herauslesen, eine möglichst umfassende Kontrolle über die ideologischen, rituellen und personellen und nicht zuletzt auch wirtschaftlichen und rechtlichen Gegebenheiten in den Pfarren auszuüben. Was für die katholische Kirche in den österreichischen Ländern galt, kann aber auch für evangelische Pfarren in Territorien festgestellt werden, in denen sich die Reformation schon früh durchgesetzt hatte und zur
Die Hilfspriester
Der Pfarrer als Vorsteher der Pfarrei konnte durch Hilfsgeistliche unterstützt werden, die vom Pfarrer selbst, durch Pfründen, Stiftungen oder Benefizien angestellt und bezahlt werden konnten und für einen bestimmten Altar oder eine Kapelle zuständig waren358. Die oft schlechte finanzielle Lage der Hilfsgeistlichen resultierte auch daraus, dass Stiftungen und Benefizien durch die Reformation in Frage gestellt wurden und daher weniger Geld zur Verfügung stand359. Der Blick, den die Visitatoren im Zuge der Visitation 1582 auch auf die Hilfsgeistlichen werfen, verweist auf das Bestreben der bischöflichen Obrigkeit, auch die Wahl der Hilfsgeistlichen in den jeweiligen Pfarren mitzubestimmen und diese ebenso wie die Pfarrvorsteher in das tridentinische Programm einzugliedern.
Zu diesem Zweck wurden auch, wohl durch Befragung, Informationen über die Kapläne in den visitierten Pfarren eingeholt. In den Pfarren Perchtoldsdorf, Brunn und Mödling war neben dem Pfarrer auch jeweils ein Kaplan tätig. Für Perchtoldsdorf wird festgehalten, dass der aus Krain stammende Kaplan aufgrund seiner fehlenden Deutschkenntnisse keine Predigten halten könne. Die beiden Kapläne aus Brunn und Mödling wurden ähnlich wie die Pfarrer über ihr Amtsbewusstsein und ihren Lebenswandel befragt. Der Kaplan von Brunn, Matthias Stainer, der seit vier Jahren dort tätig sei, feiere Hochämter an Feiertagen und zu Fronleichnam, predige, verwende katholische Bücher, halte sich an Fastengebote und kenne die Absolutionsformel. Von der Allgemeinheit erhalte er monatlich 8 fl., trage keine Tonsur und sei verheiratet. Der Mödlinger Kaplan Augustin Angermayr bekenne sich zum Katholizismus und habe seine Priesterweihe durch den Passauer Bischof empfangen. Vom Pfarrer erhalte er 80 fl. Bezahlung, außerdem lebe er im Konkubinat und habe zwei Kinder.
Die Schulmeister
Einen wesentlichen Teil des Pfarrlebens bildete die Pfarrschule, die sich um die Vermittlung elementarer Fächer, um Grundkenntnissen der lateinischen Sprache, den Religionsunterricht und die Kenntnis der kirchlichen Liturgie kümmerte360. Im Rahmen der Visitation der Wiener Landpfarren werden für sechs Pfarren Schulmeister verzeichnet. Ähnlich wie bei den Pfarrern werden auch diese zu ihrer Pflichterfüllung, ihrer Einstellung zur katholischen Konfession und ihrer wirtschaftlichen Lage befragt. Dass die Bezahlung der Schulmeister von Pfarre zu Pfarre höchst unterschiedlich und im Allgemeinen recht knapp bemessen war, wird aus den Angaben im Protokoll ersichtlich361. So erhalte der Schulmeister von Laxenburg vom Pfarrer 12 fl. sowie Kost; der in Penzing, der bereits vier Jahre im Schuldienst sei und über etwa 20 Schüler verfüge, beziehe sein Gehalt von unterschiedlichen Stellen, den Schülern, der Gemeinde und einer Sammlung. Den katholischen Katechismus des Canisius verwende der Lehrer von Penzing, der Schulmeister in Brunn unterrichte laut eigenen Angaben ohne Katechismus, aber dennoch zufriedenstellend ebenso wie der Mödlinger Bartholomäus Parstaller. Das Gehalt des letzteren, der bereits seit 21 Jahren als Schulmeister tätig sei, belaufe sich auf 50 fl. Die gute Arbeit des Mödlinger Lehrers, worunter wohl die Propagierung der katholischen Lehre zu verstehen ist, werde vom Mödlinger Richter bestätigt. Da die Pfarre Oberdöbling weder über einen Pfarrer noch einen Schulmeister verfüge, müssten die Pfarrkinder die Schule in Heiligenstadt besuchen.
Die Schulmeister konnten sich auch in religiös-konfessionellen Fragen positionieren und maßgeblich zur Verbreitung des Protestantismus oder aber zur Erhaltung des katholischen Glaubens beitragen. Dass es erklärtes Ziel der Visitatoren war, alle protestantischen Kräfte in den Gemeinden aufzuspüren und gegen diese vorzugehen, zeigt der Fall des Schulmeisters von Atzgersdorf. Dieser sei lutherisch eingestellt und unterrichte, so das Protokoll, trotz Verbots seine 40 Schüler nach ebensolchen Prinzipien und bevorzugt in deutscher Sprache. Gegen den Atzgersdorfer Lehrer wurde im Anschluss an die Visitation radikal vorgegangen: Im abschließenden Bericht an den Bischof wird von seiner Inhaftierung in einem Gefängnis berichtet.
Die Pfarrgemeinde
Im Visitationsprotokoll wird nur gelegentlich und meist indirekt auf das Pfarrvolk verwiesen. Die Größe der Pfarrgemeinde, ihre konfessionellen Präferenzen und ihr Umgang mit den katholischen Riten sind zudem nur durch die Aussagen des Pfarrers erschließbar, die Mitglieder der Pfarrgemeinde selbst werden nicht befragt. Entsprechende Angaben über die Frequenz und Art der Kommunion, den Empfang weiterer katholischer Sakramente, Gottesdienstbesuche, die Einhaltung der Fastengebote sowie den Schul- und Katechismusunterricht lassen nur bedingt Rückschlüsse auf die tatsächlichen Gegebenheiten in den einzelnen Pfarren zu. So wird die Anzahl der Kommunikanten in bestimmten Zeiträumen für Hennersdorf-Leopoldsdorf und Ottakring jeweils mit etwa 100, für
Aus derartigen Informationen wird die Bedeutung des Pfarrvolkes für die Konfessionalisierung ersichtlich. Wie sich aus dem vorliegenden Protokoll erschließen lässt, suchte die katholische Kirche in Wien bereits zur Zeit der Visitation im Jahr 1582 ihre Pfarrgemeinden zu einer katholisch geprägten Frömmigkeit zu erziehen. Der Fokus auf die regelmäßige Durchführung von Eucharistiefeiern und öffentlichen Prozessionen, das Beharren auf Glockengeläut zu festgelegten Zeiten, die Pflege der Sakramente und die Ablehnung von Magie und Aberglauben lassen einige der Maßnahmen durchscheinen, mittels derer die katholische Kirche insbesondere ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts ihr hierarchisches Struktur- und Lehrgebäude zu stärken suchte362.
Katholische und protestantische Bücher und Autoren in den Pfarrinventaren
Ein wesentliches Element zur Sicherung der katholischen Konfession unter den Pfarrern war die Kontrolle des pfarrlichen Buchbestandes. Wie in Punkt vier des Interrogatoriums (fol. 344v) notiert, sollten im Zuge der Visitation der Wiener Landpfarren von 1582 auch die Bücher im Besitz der Pfarren und ihre Verwendung durch den Pfarrer einer Prüfung unterzogen werden. Durch die Ermittlung von Titeln und Autoren suchte man seitens der katholischen Visitationskommission etwaige protestantische Literatur aufzuspüren und auszusondern, den betreffenden Pfarrern ihren Fehltritt nachdrücklich vor Augen zu führen sowie in der Folge katholische Lektüre, welche den Kriterien des Tridentinums entsprach, zu propagieren.
Rückschlüsse auf die Inhalte der vorgefundenen Werke wurden aus den Namen ihrer Autoren und aus den Titeln gezogen, von denen auch einige namentlich im Visitationsprotokoll aufscheinen. Über ein einziges protestantisches und daher verbotenes Buch verfügt der Pfarrer von Laxenburg, Georg Fuchs. Als Autor des im Protokoll nicht näher bezeichneten Werks wird Konrad Pellicanus, alias Konrad Kürschner (1478–1556), genannt, Franziskaner, elsässischer und Schweizer Humanist, reformierter Theologe und dem Kreis um Erasmus von Rotterdam zuzuordnen363, der nach Konfrontationen mit seinem Orden wie auch mit Erasmus seine Lehrtätigkeit an Huldrych Zwinglis Theologenschule in Zürich aufnahm. Beim in Laxenburg aufgefundenen Werk des Pellicanus könnte es sich um die Commentaria bibliorum, einen Bibelkommentar in sieben Bänden, gehandelt haben, der insbesondere für wenig gebildete Landpfarrer vorgesehen war, die sich der Reformation zugeneigt fühlten.
Ein weiterer protestantischer Autor findet sich im Protokoll verzeichnet. Diesem zufolge verfügte Leonhard Griffius, der Pfarrer von Brunn am Gebirge, über eine Postille
Den Hauptteil der im Visitationsprotokoll genannten Literatur bilden einschlägig katholische Werke, allen voran solche von Wiener Bischöfen. So verwende etwa der Pfarrer von Brunn am Gebirge Bücher des Johannes Fabri (1478–1541, fol. 349r), der als Generalvikar in Konstanz tätig war, in die Dienste Kaiser Ferdinands I. trat und von 1530 bis 1541 den Wiener Bischofssitz innehatte366. Der prononcierte Vertreter des Katholizismus ging während seines Wirkens in Konstanz aktiv gegen Martin Luther und Huldrych Zwingli vor und verfasste anti-lutherische Schriften, darunter den Malleus in haeresim Lutheranam (Köln 1524). Neben Leonhard Griffius aus Brunn (fol. 349r) verfügten laut Protokoll auch die Pfarrer Jakob Dorr in Perchtoldsdorf (fol. 347v) und Joachim Werman in Penzing (fol. 353r) über Werke des Friedrich Nausea (um 1495–1552), des Nachfolgers von Fabri als Wiener Bischof (reg. 1541–1552)367, der als Vorbereiter des Konzils von Trient gilt und zahlreiche katholische Predigten verfasste368. Mit der Nennung dieser eindeutig katholisch ausgerichteten Amtsvorgänger Neubecks, des Initiators der Visitation von 1582, möchte das Protokoll einmal mehr die religionspolitische Agenda Neubecks an seinen Vorgängern orientieren und in ein klar konfessionell katholisches Licht stellen.
Im Protokoll vermerkt werden auch Standards der katholischen katechetischen Literatur, allen voran der Katechismus des Petrus Canisius (1521–1597)369. Der Jesuit und katholische Kirchenlehrer erfüllte in den Jahren 1554 und 1555 die Funktion des interimistischen Administrators im Wiener Bistum, war also ebenfalls direkt mit Wien verbunden. Mit der Summa doctrinae christianae (1555) und dem Catechismus minimus (1556) schuf er maßgebliche Werke der katholischen Konfessionalisierung, welche auch in den späteren Jahrzehnten den katholischen Gegenreformatoren als Grundlage ihrer praktischen Glaubenslehre dienten. Die Verwendung des Katechismus des Canisius wird für die Pfarrer von Perchtoldsdorf (fol. 347v) und Hennersdorf-Leopoldsdorf (fol. 351r) sowie für den Penzinger Schulmeister (fol. 353v) vermerkt.
Für den Pfarrer von Brunn am Gebirge wird der Besitz von ebenfalls nicht näher genannten Werken des Jakob Feucht (1540–1580, fol. 349r) festgehalten. Der seit 1571 als Weihbischof von Bamberg tätige Feucht war Propagator des katholischen Glaubens und der Beschlüsse des Tridentinums sowie Verfasser katholischer Schriften, etwa der Kleinsten oder Kinder Postill (Köln 1579)370. Sehr verbreitet in den Wiener Landpfarren zum Zeitpunkt der Visitation 1582 waren die Werke des Johannes Ferus, alias Wild (1495–1554), der Angehöriger des Franziskanerordens und katholischer Domprediger in Mainz war371. Das Vorhandensein seiner Werke ist für die Pfarren von Laxenburg (fol. 346v), Perchtoldsdorf (fol. 347v), Hennersdorf-Leopoldsdorf (fol. 351r), St. Marx (fol. 352r), Penzing (fol. 353r) und Ottakring (fol. 354r) belegt. Über Bücher des flämischen Dominikanermönchs und Predigers Aegidius Dominicus Topiarius, alias Gilles-Dominique vanden Prieele (gest. 1579), verfügte der Pfarrer von St. Marx (fol. 352r)372, der von Perchtoldsdorf über solche von Jacob Schopperus (Schoepper, 1512/16–1554), einem katholischen Theologen und Pädagogen, der auch unter dem Namen Jacobus de Tremonia bekannt ist (fol. 347v)373. Im Protokoll der Pfarre Hennersdorf-Leopoldsdorf wird außerdem der Humanist und katholische Frömmigkeits- und Unionstheologe Georg Wizelius (Witzel, 1501–1573) genannt (fol. 351r)374, und mit der Postille des Nicolaus Brontius, eines niederländischen Autors des 16. Jahrhunderts, der 1541 in Antwerpen die Titel Libellus de utilitate et harmonia artium und Libellus compendiariam, tum virtutis adipiscendae, tum literarum parandarum rationem perdocens herausgab, werden auch erbauliche Literatur und Bildungsthemen abgedeckt (Pfarre Brunn am Gebirge, fol. 348v). Für den Penzinger Pfarrer ist der Besitz eines Werkes des Scholastikers Zacharias Chrysopolitanus aus dem 12. Jahrhundert dokumentiert (fol. 353r), welches wohl nicht als Handschrift, sondern als Druck aus humanistischer Zeit vorgelegen ist. Insbesondere im 16. Jahrhundert setzten sich Theologen verstärkt mit der mittelalterlichen Scholastik auseinander. Aus dem Jahr 1535 stammt auch der Druck einer Evangelienkonkordanz des Zacharias mit dem Titel In unum ex quatuor siue de concordia euangelistarum, libri quatuor, iam nunc primum typis excusi … ab Ammonio redacta.
Neben derartigen "gut katholischen" Werken zählten zu den von den katholischen Gegenreformatoren vorgeschriebenen Büchern auch die Pfarrmatriken, in denen die Getauften und Verehelichten in jeder Pfarre notiert werden sollten. Dies wird in Punkt zwölf des Interrogatoriums (fol. 344v) und im Schlussdekret (fol. 360r, 362r) explizit erwähnt. Im Falle des Fehlens der Matrikenbücher, wie in den Pfarren Penzing und Atzgersdorf, wird dies eigens im Protokoll vermerkt (fol. 349v, 353r). Das Schlussdekret bietet auch eine katholische Lektüreempfehlung für die Pfarrer (fol. 360r). Dieser zufolge sollten sie die Summula des Thomas Cajetan, alias Jacopo de Vio aus Gaeta (1469–1534), eines Dominikaners, katholischen Theologen und Gegners von Martin Luther, oder auch anderer entsprechend katholischer Autoren lesen (fol. 360r). Im Schlussdekret wird abermals das grundsätzliche Verbot des Besitzes häretischer Bücher festgehalten. Die Pfarrer dürften weder selbst derartiges Material lesen, noch für Andere aufbewahren oder jemanden dazu ermutigen, solches zu besitzen (fol. 359v). Abschließend wird auf die Verfahrensweise mit